: „Profisport muss familiär bleiben“
BOB HANNING
In Fachkreisen ist er als „Arbeitstier“, „Sponsorenfänger“ und „Meister der Selbstinszenierung“ bekannt. Bewunderer sagen über den 39-Jährigen, er verstehe es, aus Mist Gold zu machen. Den Beweis für all diese Beschreibungen hat er in Berlin geliefert. Vor zwei Jahren kam der Handballtrainer aus Hamburg an die Spree und übernahm als Manager und Geschäftsführer den desolat organisierten Traditionsverein Füchse Berlin. Hanning kündigte großmäulig an, den am Abgrund zur Regionalliga stehenden Club in nur zwei Jahren in die Erste Liga zu führen. Er hielt sein Versprechen: Am Samstag feierte das Team den Aufstieg – der schon länger festgestanden hatte – in der Max-Schmeling-Halle vor einer Rekordkulisse von fast 8.000 Fans
Interview Johannes Kopp
taz: Herr Hanning, Glückwunsch, Sie haben Ihr Projekt Aufstieg 2007 souverän zu Ende gebracht. Hätten Sie sich das so einfach vorgestellt?
Bob Hanning: Es war kein leichter, sondern ein sehr steiniger Weg dahin. Deshalb empfinde ich nun eine tiefe Zufriedenheit mit dem Erreichten.
Der Erfolg der Füchse wird vor allem mit Ihrem Namen in Verbindung gebracht.
Jeder Verein braucht letztendlich irgendein Gesicht, eine Identifikationsfigur. Bei Hertha BSC ist das Dieter Hoeneß, bei den Füchsen bin ich es. Entscheidend ist, dass man für und nicht vom Verein lebt.
Aha.
Ich arbeite nach dem Motto: Wenn jeder etwas von sich gibt, dann haben alle hinterher mehr. Nur so bekommt man ein Projekt angeschoben. Ich allein kann aber auch nichts bewegen. Ich habe ein Team im Hintergrund, dem es nichts ausmacht, bis nachts um eins im Büro zu sitzen. Außerdem wäre dieses Projekt ohne die Rückendeckung unserer Gesellschafter nicht möglich.
Haben Sie nicht Sorge, dass Sie im Falle des Misserfolgs ebenso von allen Seiten angegriffen werden wie derzeit Dieter Hoeneß?
Nein. Das ist ja überall das Gleiche: Derjenige, der in der Verantwortung steht, bekommt den stärksten Gegenwind ab. Die Zahl meiner Freunde verdoppelt sich im Moment täglich. Ich kann das aber richtig einordnen. Wenn du führst, musst du damit leben.
Sie blenden die Schattenseiten Ihres Geschäfts aus?
Ich lasse Negatives nicht an mich heran. Ich versuche, konstruktiv nach vorne zu denken. Ich habe keine Zeit, 10 oder 15 Prozent meiner Energie für etwas Negatives zu investieren. Dafür ist das Projekt hier viel zu spannend. Sonst hätte das mit dem Aufstieg wie die 21 Jahre zuvor auch nicht geklappt.
Allein mit Ihrer positiven Herangehensweise lässt sich der Erfolg der Füchse aber nicht erklären.
Ich verkörpere zudem Glaubwürdigkeit und Offenheit. Bei uns ist alles transparent. Unsere Hauptsponsoren kennen alle Zahlen. Sie wissen, was jeder Spieler verdient. Jeder Posten kann nachvollzogen werden. Diese Offenheit und Ehrlichkeit hat dazu geführt, dass die Leute Vertrauen in das Projekt gefasst haben. Zum anderen ist es auch meine Stärke, Dinge konsequent anzugehen und zur Not auch mal gegen den Willen anderer durchzuziehen.
Was war denn im Rückblick schwieriger oder leichter als gedacht?
Schwieriger war alles, leichter war nichts. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so schwierig ist, Sponsoren für ein solches Projekt zu gewinnen. Und ich war überrascht, wie mühsam es ist, eine Akzeptanz in der Stadt zu erhalten. Es gab auch mehr Gegenwind, als ich erwartet hatte. Kaum einer hat an das Projekt geglaubt; es war nicht erwünscht.
Weshalb?
Man hatte den Eindruck, dass der Kuchen in der Stadt schon verteilt war. Es hat Leute gegeben, die unsere Sponsoren angerufen haben, um ihnen von dem Projekt abzuraten. Sie warnten, das Ganze habe keine Perspektive …
Sie haben trotzdem den Etat der Füchse in einem Jahr von 100.000 Euro auf 1,8 Millionen hochgeschraubt. Hatten Sie, als Sie nach Berlin kamen, bereits Kontakte in die Berliner Wirtschaft?
Keinen einzigen. In Berlin kannte ich gar keinen. Ich hatte lediglich über einen Bekannten einen Kontakt zu einer Bank vermittelt bekommen.
Können Sie uns Ihren Trick verraten, wie Sie die Geldbörsen der Unternehmen öffnen?
Nein. Für mich ist es wichtig, grundehrlich zu sein und eine Vision aufzeigen zu können. Unsere Vision war der Aufstieg. Wir haben den Sponsoren erzählt, was machbar ist, wo wir in welcher Zeit hinwollen. Wir hatten kein gutes Produkt. Aber das habe ich den Leuten nicht verschwiegen. Nach dem ersten Jahr kamen einige zu mir und sagten: Die Mannschaft ist ja richtig schlecht. Da habe ich geantwortet: Was habe ich euch denn versprochen? Eine schöne Halle und leckeres Essen. Ich habe euch gesagt, dass die Mannschaft nicht gut ist und wir zuerst professionelle Strukturen aufbauen wollen. Erst im zweiten Jahr haben wir in das Team investiert.
Stimmt es, dass Sie schon vom Hamburger Fußballclub FC St. Pauli als Geldbeschaffer umworben wurden?
Wir haben im Jahr 2005 einmal sehr nett miteinander geplaudert. Es ging erst einmal nur um ein gemeinsames Projekt. Es war aber nur ein Informationsgespräch.
Das Angebot hat Sie also nicht gereizt?
Hmm. Doch. Wenn ich das Gegenteil behaupten würde, wäre das die Unwahrheit. Es hat mich aber nicht so gereizt, dass ich mich von meiner Liebe zum Handball lossagen konnte.
Hatten Sie vor zwei Jahren, als Sie nach Berlin kamen, einen Masterplan im Kopf, wie das Ganze funktionieren soll?
Nein, den gab es nicht. Wenn mir einer in diesem Metier erzählt, er wüsste genau, wie er ans Ziel kommt, dann glaube ich ihm das nicht. Umwege sind manchmal viel besser, weil man mehr mitbekommt. Fehler und Sackgassen sind gut, um sich alles wieder aufs Neue anzuschauen und zu reflektieren. Pläne müssen immer wieder umgeschmiedet werden.
Über welchen großen Fehler haben Sie sich bisher am meisten geärgert?
Noch habe ich keinen entscheidenden gemacht. Sportlich gesehen war es ein Fehler, vor einem Jahr das Team in der Winterpause nicht verstärkt zu haben. Da hätte ich handeln müssen. Ich habe das wirtschaftliche Risiko gescheut und damit letztlich das Projekt in Gefahr gebracht. Doch das war zu korrigieren. Solche Fehler werden immer wieder passieren. Irgendwann kauft man die falschen Spieler ein oder kooperiert mit dem falschen Sponsor.
In Hamburg hatten Sie auch großen Erfolg, sind letztlich aber daran gescheitert, dass Sie als Trainer und Geldakquisiteur zugleich tätig waren. Neigen Sie dazu, zu viele Aufgaben an sich zu reißen?
In Hamburg war es definitiv nicht anders möglich, sonst würde es den Verein dort gar nicht mehr geben. Hier in Berlin steht das Ganze auf viel breiteren Füßen. Aber bei so vielen Baustellen muss ich schon aufpassen, dass ich nicht der Bauherr von allen sein will.
Sie sprechen häufig vom „Produkt“, wenn es um die Füchse geht. Inwieweit rückt heute der Sport bei den Wirtschaftsunternehmen „Profivereine“ in den Hintergrund?
„Projekt“ meine ich eigentlich. Wenn ich „Produkt“ sage, ärgere ich mich selbst.
Ach so.
„Produkt“ ist ja Quatsch. Die Füchse sind ein Verein mit großer Tradition. Vor 21 Jahren waren sie in der Bundesliga und haben sogar international gespielt. Hier ist etwas dahinter. Deshalb ist es für mich ein Projekt. Andererseits muss einem auch klar sein, dass hinter dem Profisport wirtschaftliche Interessen stecken. Nichtsdestotrotz will ich mir das Familiäre nicht nehmen lassen. Deshalb ist es mir wichtig, noch die A-Jugend zu trainieren. Es sollen möglichst viele Berliner den Sprung in die erste Mannschaft schaffen.
Vor der letzten Saison haben Sie elf neue Spieler geholt, diese Saison werden es wieder vier bis fünf sein. Sind die Füchse wirklich noch familiär?
Diese Mannschaft kam ja aus dem Breitensport. Veränderungen sind unvermeidlich, wenn man nach oben will. Wir haben vier 30-Jährige gehen lassen, die ihren Zenit schon lange überschritten hatten. Die Berliner Jungs haben wir ganz bewusst dringelassen, auch wenn sie natürlich nicht so viel spielen wie die anderen. Wir müssen eine Identifikation mit dem Verein schaffen.
Und die Kurzeinsätze der Berliner sollen dafür ausreichen?
Du wirst es im Profisport nie nur familiär schaffen. Aber du musst so weit wie möglich versuchen, dir das Familiäre zu erhalten. Dieses Gefühl will ich auch den Sponsoren vermitteln. Bei uns sind die Spieler im Sponsorenbereich greifbar. Es gibt keine Player-Lounge. Die Spieler sitzen mittendrin, gehen zu den Tischen, sagen „Guten Tag“ und haben sich anständig zu benehmen.
Die Sponsoren gehören also mit zur Familie?
Ja. Wir sind nicht so plump und sagen: Gebt uns Geld, damit wir Sport machen können. Wir wollen den Firmen eine Plattform bieten, damit sie miteinander Geschäfte machen. Um ein simples Beispiel zu wählen: Ich möchte, dass alle unsere Sponsoren bei dem Reisebüro buchen, das auch uns unterstützt. Dabei sehe ich mich als Bindeglied zwischen unseren Partnern.
Nach der Handball-WM haben Sie sich im Februar mit dem Jungnationalspieler und Shootingstar Michael Kraus getroffen und wurden von einem Fotografen ertappt. Entstand das Bild wirklich zufällig?
Ich hab das Foto nicht gemacht.
Aber Sie haben die Medien bewusst vor Ihren Karren gespannt, um Spekulationen über seinen Wechsel nach Berlin anzuheizen?
Das ist ja ein Nehmen und Geben in unserem Geschäft. Sie wollen ja auch gerade etwas von mir. Dass ich umgekehrt auch mal die Medien benutze, um mal ein paar Dinge loszuwerden, das ist doch genauso legitim.
Sie haben also mit Hilfe von Kraus Schlagzeilen produziert, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Ja. Genauso haben wir auch den Namen Henning Fritz – der Torwart der Nationalmannschaft – in den Berliner Medien lanciert. Das sind Spieler, die wir uns momentan eigentlich gar nicht leisten können.
Sie sind vor zwei Jahren nach Berlin gekommen. Inwieweit identifizieren Sie sich mit der Stadt?
Ich bin ein Großstadtkind, komme aus dem Ruhrpott und habe zuletzt in Hamburg gewohnt. In Berlin habe ich ein wenig mehr Zeit gebraucht, um mich einzuleben. Ich habe anfangs fast fünf Monate im Hotel verbracht, bis ich eine Wohnung gefunden habe, in der ich mich zu Hause gefühlt habe.
Macht es Berlin einem schwer, sich hier einzugewöhnen?
Berlin ist sehr anonym und manchmal leider auch oberflächlich. Es ist sehr schade, dass die Stadt immer noch nicht zusammengefunden hat. Als wir vor zwei Jahren in die Max-Schmeling-Halle gezogen sind, habe ich Faxe bekommen, in denen stand: „Wir betreten den Osten nicht.“ Das hat mich sehr überrascht. Dieses Miteinander für Berlin fehlt in dieser Stadt.
Sie selbst haben Handball nie professionell ausgeübt. Wie schwer war es, sich in der Branche durchzusetzen?
Ich hatte das Glück, Petre Ivanescu, den erfolgreichsten Trainer der Welt, als Sportlehrer zu haben. Wegen ihm habe ich die Trainerlaufbahn eingeschlagen. Zuerst habe ich intensiv und erfolgreich Jugendmannschaften trainiert. Dann wurde ich Co-Trainer des Bundesligisten TuSEM Essen. Ein Schritt ergab sich aus dem anderen, bis ich als Assistent von Heiner Brand bei der deutschen Nationalmannschaft arbeitete. Meine Qualität als Spieler reichte einfach nicht aus. Ich war zu klein und zu faul.