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Archiv-Artikel

Bezirke legen Bordelle flach

Der Berufsverband der Prostituierten schlägt Alarm: In mehreren Bezirken würden vermehrt kleine Bordelle geschlossen. Der Verband fürchtet nun die Einführung von Sperrbezirken durch die Hintertür

VON WALTRAUD SCHWAB

In Berlin werden vermehrt kleine Bordelle geschlossen. Vor allem in Tempelhof-Schöneberg und in Charlottenburg-Wilmersdorf sind privat geführte Etablissements betroffen, beklagt Stefanie Klee vom Bundesverband Sexueller Dienstleistungen (BSD e. V.). Meist träten die Bauämter in Aktion. Sie schließen die „Wohnungsbordelle“, die es teilweise schon seit Jahrzehnten gibt, unter dem Vorwand, dass sie „milieubedingte Begleiterscheinungen“ und eine „generelle Störung des Wohnumfeldes“ provozieren, berichtet Klee. Sie befürchtet, dass deshalb mehrere hundert Kleinbordelle schließen müssen.

In Tempelhof-Schöneberg wurden letztes Jahr drei Bordelle zugemacht, sagt Cornelia Rübesam, die Fachbereichsleiterin der Bauaufsichtsbehörde. Für Charlottenburg-Wilmersdorf bestätigt der Baustadtrat Bernd Krömer (CDU), dass in den vergangenen fünf Jahren ein Dutzend Bordelle geschlossen wurden. Er beruft sich auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG). Darin steht, dass von bordellartigen Betrieben typischerweise immer eine Störung ausgehe, die in Wohngebieten nicht erlaubt sei. Gegen diese Verallgemeinerung protestiert der Berufsverband der Prostituiertenbranche nun öffentlich.

Strittig ist der Begriff „Wohnungsbordell“. Die Ämter verstehen darunter Wohnungen, in denen die Mieterin Männer empfängt. Gegen dieses private Engagement würde nicht vorgegangen, sagen sowohl Rübesam als auch Gröhler. Für den BSD sind Wohnungsbordelle hingegen kleine Etablissements in Wohnungen. Meist bedient die Mieterin selbst die Kunden, mitunter arbeiten auch mehrere Frauen dort. Vor der Liberalisierung des Prostitutionsgesetzes 2002 wurden diese Wohnungsbordelle von den Wirtschaftsämtern als „gewerbliche Zimmervermietung“ geführt – und toleriert. Die Behörden wussten von der Prostitution, meint Klee.

Seit der Liberalisierung des Prostitutionsgesetzes sind Bordellbetriebe als legale Gewerbe anerkannt. Die nun von Schließung bedrohten Einrichtungen verfügten alle über Gewerbemietverträge, die BetreiberInnen hätten bei der Anmeldung des Gewerbes kein Geheimnis mehr aus der Prostitution gemacht, so Klee.

Sie glaubt, dass die Liberalisierung, die das Prostitutionsgesetz bringt, nun durch die Vorgehensweise der Ämter wieder rückgängig gemacht werde. Wohnungsbordelle seien in der Regel keine Etablissements, die in der Öffentlichkeit zu erkennen sind. Die Privatheit der gewerbetreibenden Prostituierten und der zu Prostituierten gehenden Kunden würde gewahrt. Wer diese kleinen Bordelle schließe, weil sie angeblich störten, treibe die Betreiberinnen erneut in die Illegalität. Zudem bestünde die Gefahr, dass Prostituierte in Zukunft nur noch an ausgewiesenen Orten ihrem Beruf nachgehen können. „Unsere Angst ist, dass über das Baurecht nun in Berlin erstmals Sperrbezirke eingeführt werden. Dann gibt es Verteilungskämpfe um die zugewiesenen Territorien.“

Warum derzeit in einigen Bezirken vermehrt Bordelle geschlossen werden, kann sich Klee nicht erklären. Parteipolitik ist nicht ausgeschlossen: Der Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) jedenfalls findet die holzschnittartige Beurteilung des OVG, dass jedes Bordell, egal wie klein, typischerweise eine Störung für die Öffentlichkeit bedeutet, falsch. Wie bei anderen gewerblichen Nutzungen von Wohnungen im Wohngebiet sollte eine Einzelfallprüfung möglich sein.

Der Bundesverband für Sexuelle Dienstleistungen fordert nun einen runden Tisch, an dem Behörden und Betroffene nach einvernehmlichen Lösungen suchen sollen.