: Erfolglose Suche nach Massengräbern in Donezk
UKRAINE Amnesty International legt Bericht zu Hinrichtungen im umkämpften Osten vor
BERLIN taz | Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) hat keine Beweise für Massengräber in der Ostukraine, die prorussische Separatisten dort entdeckt haben wollen. In einem am Montag veröffentlichten Bericht über Hinrichtungen in den umkämpften ostukrainischen Gebieten wirft AI sowohl den prorussischen als auch den proukrainischen Kräften falsche Angaben über die Gräueltaten der jeweils anderen Seite vor. „Beide Seiten beschuldigen sich außergerichtlicher Hinrichtungen und schwerster Menschenrechtsverletzungen, über die in den russischen und ukrainischen Medien ausführlich berichtet wird. Viele dieser Berichte sind wenig bis überhaupt nicht fundiert. Wenn Fälle nachweisbar waren, waren sie maßlos übertrieben“, schreibt AI.
Am 23. September hatten russische Medien über die Entdeckung von Massengräbern in Komunar und Nyzhna Krynka im Donezker Gebiet berichtet. Dieses Gebiet war kurz zuvor noch von Einheiten der ukrainischen Armee kontrolliert worden. Am 1. Oktober sprach Russlands Außenminister Sergei Lawrow von 400 Leichen, die angeblich in mehreren Massengräbern gefunden worden seien. „Wir hoffen, das der Westen diese Fakten nicht totschweigen wird, weil sie so entsetzlich sind“, sagte Lawrow weiter und forderte die internationalen Organisationen zu einer klaren Reaktion auf.
Wenige Tage zuvor war eine AI-Delegation vor Ort gewesen, hatte jedoch keine Beweise für die Existenz von Massengräbern finden können. Stattdessen stieß die Organistion auf die Leichen von vier männlichen Zivilisten in zwei Gräbern in der Nähe des Dorfes Komunar. Es bestehe kein Zweifel daran, dass diese Gräber aus einer Zeit stammen, in der Komunar unter Kontrolle der ukrainischen Armee und von pro-Kiewer Kräften gestanden habe, heißt es dazu in dem Bericht. „Was wir gesehen haben, sind einzelne Fälle von Hinrichtungen, die in einigen Fällen Kriegsverbrechen darstellen könnten. Solche gezielten Tötungen sind auf beiden Seiten nachgewiesen worden“, sagte John Dalhuisen, AI-Programmleiter für Europa und Zentralasien. Alle verdächtigen Fälle sollten untersucht und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Aktivistin festgenommen
Doch an einer lückenlosen Aufklärung haben nicht alle ein Interesse – besonders dann nicht, wenn es um russische Soldaten geht, die in der Ostukraine getötet wurden. So wurde am vergangenen Wochenende in der südrussischen Region Stawropol die Vorsitzende des Komitees der Soldatenmütter, Ludmilla Bogatenkowa, festgenommen. Der 73-Jährigen wird Finanzbetrug zur Last gelegt. Der wahre Grund ihrer Festnahme dürfte ein anderer sein: Im August hatte sich Bogatenkowa an den Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten gewandt und eine Untersuchung von Fällen von in der Ostukraine gefallenen russischen Soldaten gefordert. Ein Antwort steht bis heute aus.
BARBARA OERTEL