: Kleine Koalition verklagt große
FDP, Linksfraktion und Grüne gehen wegen der Behinderung ihrer Kontrollrechte nach Karlsruhe
AUS BERLIN JENS KÖNIG
Die drei Oppositionsfraktionen im Bundestag haben wegen Behinderung ihrer Aufklärungsarbeit im BND-Untersuchungsausschuss Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. FDP, Linksfraktion und Grüne fühlen sich in ihren Verfassungsrechten beschränkt. Sie beschuldigen die Bundesregierung, wichtige Akten nicht herauszugeben und Zeugen in ihren Aussagemöglichkeiten einzuschränken. Klägerin ist jede Fraktion einzeln. Die gemeinsam erarbeitete Klageschrift wurde am Montag nach Karlsruhe abgeschickt.
Bei der Präsentation am Dienstag in Berlin bekamen die Journalisten ein seltenes Bild der Einmütigkeit geboten: Max Stadler, Wolfgang Neskovic und Hans-Christian Ströbele, die Obleute von FDP, Linksfraktion und Grünen im Untersuchungsausschuss, saßen friedlich nebeneinander, lächelten sich zu, bestätigten sich in ihren Ansichten. Normalerweise sind sich die drei Oppositionsparteien nicht so einig. „Sie sehen hier eine ungewöhnliche Koalition“, sagte Neskovic. „Es handelt sich aber keinesfalls um eine Notgemeinschaft in der Opposition. Wir bilden eine Wertegemeinschaft der Rechte des Parlaments.“
Alle drei Politiker betonten, dass es bei der Klage nicht nur um die Rechte der Opposition, sondern um die des Parlaments insgesamt gehe. „Wir wollen klären lassen, welches Gewicht das Parlament in Zeiten der großen Koalition überhaupt noch hat“, sagte der Grüne Ströbele. „Im Kern geht es um die Frage, inwieweit sich eine Regierung der Kontrolle durch das Parlament legal entziehen darf“, sagte der Liberale Stadler. „Es darf grundsätzlich nicht sein, dass die Regierung mehr weiß als das Parlament“, sagte der Linke Neskovic.
Die drei Obleute im Untersuchungsausschuss haben genügend Beispiele parat, wie die Regierung die Aufklärung der Fälle von Murat Kurnaz und Khaled El Masri behindert hat. So weigerte sich der ehemalige Innenminister Otto Schily, Details seines Geheimtreffens mit US-Botschafter Dan Coats preiszugeben. Schily hatte dabei frühzeitig von der Entführung und Folterung El Masris erfahren. Der frühere Kanzleramtschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier lehnte es grundsätzlich ab, sich zu Einzelheiten der Runde der Geheimdienst-Präsidenten zu äußern. Sowohl Schily als auch Steinmeier beriefen sich auf den „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“. Dieser erlaubt es der Regierung, in Ausnahmefällen Informationen über ihre Arbeit der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen. „Diese Regelung“, meinte Ströbele, „benutzt die Regierung als eine Art Zauberformel: Sesam, schließe dich!“
Die Kläger hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht sich rasch mit der Frage beschäftigt und vielleicht schon im Herbst entscheidet. Das könnte Auswirkungen auf die Arbeit des laufenden Untersuchungsausschusses haben. Auf jeden Fall wird das Urteil Folgen für zukünftige Ausschüsse haben. „Mit unserer Klage“, stellte Stadler fest, „schreiben wir ein Stück Parlamentsrechtsgeschichte.“