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Archiv-Artikel

Der neu entdeckte Kontinent

Neue deutsche Afrika-Strategie: Die Bundesregierung will massiv private Investitionen nach Afrika locken. Sonst geht der Kontinent an die Chinesen

AFRIKA IN BERLIN

Das Weltbankforum am 21. und 22. Mai in Berlin stand dieses Jahr unter dem Motto „Africa on the Rise“ (Afrika im Aufbruch). Weltbank, Bundesregierung und afrikanische Regierungen diskutierten mit deutschen und afrikanischen Interessierten über die Zukunftsperspektiven des Kontinents, auch im Hinblick auf den G-8-Gipfel, der Anfang Juni in Heiligendamm stattfindet.

Das Afrika-Partnerschaftsforum am 22. und 23. Mai in Berlin, eröffnet von Bundeskanzlerin Angela Merkel, vereint die G-8-Staaten mit den führenden Reformregierungen Afrikas. Hauptthema ist „nachhaltige Investitionen“ in Afrika. D.J.

AUS BERLIN DOMINIC JOHNSON

Südafrikanische Klänge umrahmen Festreden im Deutschen Historischen Museum. Die Präsidenten von Benin und Liberia laden zu Investorengesprächen am Brandenburger Tor. Im Haus der Deutschen Telekom sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel, Afrika liege ihr „am Herzen“. Hinter dem Balkon, von dem aus Karl Liebknecht 1918 die Republik ausrief, beschwören Unternehmer im ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR das kommende Wirtschaftswunder auf dem ärmsten Kontinent der Erde. In Berlin ist das afrikanische Fieber ausgebrochen – kurz und heftig, mit allen Veranstaltungen gleichzeitig und begleitet von hohen Temperaturen.

Kurz vor dem G-8-Gipfel von Heiligendamm will Deutschland zeigen, dass es ihm mit Afrika nicht weniger ernst ist als den Briten 2005 in Gleneagles. Damals stand die Verdoppelung der staatlichen Entwicklungshilfe im Vordergrund. Heute geht es um die Vervielfachung privater Investitionen. Kapital soll nach Afrika gelockt werden, massiv und schnell. „Afrika wird für Europa und Deutschland immer relevanter“, sagt der G-8-Sherpa der Bundesregierung, Bernd Pfaffenbach, in seiner Grundsatzrede. „Der Kontinent ist in einem unglaublichen Wandel begriffen. Die G 8 wollen, dass mehr auf dem Kontinent investiert wird.“

Den Schilderungen zufolge ist aus dem „schwarzen Kontinent“ ein rosaroter Kontinent geworden. Die höchsten Wachstumsraten seit 30 Jahren. Ein ungestüm wachsender Außenhandel mit positiver Handelsbilanz. Auslandskapitalzuströme, die vielerorts relativ zum Bruttosozialprodukt höher sind als in China. Rekord-Einschulungsraten. Die rapide Ausbreitung moderner Technologien. Kriege wie in Somalia und Darfur sind bedauerliche Ausnahmen, sagt Botswanas Präsident Festus Mogae.

Damit all das 900 Millionen Bewohner Afrikas dauerhaft aus dem Elend hebt, muss allerdings noch viel mehr getan werden. Hohe Steuern, fehlende Rechtssicherheit, mangelhafte Infrastruktur, schwache Finanzsysteme, Korruption und Kriminalität sind nur einige der Hürden. Hier kommt Entwicklungshilfe wieder ins Spiel: Sie schafft in Partnerschaft mit afrikanischen Regierungen die Rahmenbedingungen für mehr privates Kapital. „Investitionsentscheidungen hängen von Vertrauen ab, und Vertrauen wächst nur in einem Umfeld guter und verlässlicher Regierungsführung“, beschreibt Pfaffenbach den Zusammenhang zwischen privatem und öffentlichem Handeln.

Staat und Unternehmer in Deutschland sollen für Afrika an einem Strang ziehen. Schade nur, dass die deutschen Unternehmer Skepsis an den Tag legen. Afrika ist voll mit deutschen Investitionsruinen aus den 70er-Jahren, erinnert sich einer. Dass ausgerechnet Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul, die „rote Heidi“, diesen Prozess politisch führt, sei ein Unding, sagt ein anderer hinter vorgehaltener Hand. Öffentlich wird aus solchem Unmut eine freche Forderung: Das Entwicklungsministerium BMZ solle seinen Haushalt halbieren und das Geld in die Investitionsförderung stecken. Dafür gibt es Applaus im Saal, sogar von einigen Afrikanern.

Die Politiker finden das kurzsichtig. Sie haben Angst, dass Afrika verloren geht – an die Asiaten. China ist das große Angstthema der Berliner Afrikarunden, oft erwähnt, nie wirklich besprochen, ein Schatten auf der afrikanischen Sonne, der die Europäer zu mehr Eile antreiben soll. „Was mir Sorgen macht, ist, dass viele asiatische Geschäftsleute es begriffen haben, aber nicht alle von uns haben es begriffen“, doziert Pfaffenbach. „Höhere Investitionen in Afrika sind im geostrategischen Interesse unserer Länder.“ Das Gewicht Chinas in Afrika ist nicht mehr zu übersehen. Die am schnellsten wachsende Industrienation der Weltgeschichte kauft ein Drittel des afrikanischen Öls, räumt die Exportmärkte für Tropenhölzer und Metalle ab. Letzte Woche hielt die Afrikanische Entwicklungsbank (ADB) ihre Jahrestagung erstmals in China ab, und chinesische Stellen kündigten Investitionen von 20 Milliarden Dollar in Afrikas Infrastruktur über drei Jahre an. Das ist viel mehr als aus Europa. Nach dieser Zusage hielt es ADB-Präsident Donald Kaberuka aus Ruanda nicht mehr für nötig, nach Berlin zu kommen.

Peking kritisiert in Afrika keine Diktatoren. Es stellt auch ansonsten keine Forderungen an afrikanische Regierungen. Das sind die gar nicht mehr gewohnt. Der kenianische Diplomat Bethuel Kiplagat erklärt den Unterschied: „Die Europäer und die Geber sagen uns immerzu: Mach dies, mach das. Junge Diplomaten verlangen, den Präsidenten zu sehen, und sagen ihm, was er machen soll. Dann kommen die Chinesen und sagen: Wir respektieren euch. Wir wollen euch helfen. Natürlich wissen wir, dass sie sich vor allem selber helfen wollen, aber es ist ein anderer Ton. Warum denken Sie, dass so viele Staatschefs letztes Jahr zum China-Afrika-Gipfel reisten? Sie fühlen sich respektiert. Ich glaube, in Zukunft werden wir nach Osten schauen, aber trotzdem das Geld vom Westen nehmen.“

Das ist nicht das einzige politische Problem in Afrika, das deutsche Unternehmer nicht lösen können. Chinesische Firmen genössen viel großzügigere Abschreibungsfristen und Risikoabsicherungen als deutsche, sagt Jens Peter Breitengross von der Handelsfirma „Hansen“. Joachim Richter von der Unternehmensberatung „Project Finance International“ klagt, dass europäische Unternehmen teure Umwelt- und Sozialstandards einhalten müssen. Die Weltbank müsse diese in ihre Ausschreibungen aufnehmen, wenn deutsche Firmen eine Chance haben sollen. Das Afrika-Rennen zwischen Asien und Europa ist in vollem Gange.