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Archiv-Artikel

„Wir brauchen keine Kranzabwurfstelle“

Peter Steinbach leitet die Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Berliner Bendlerblock. Er ist gegen ein Ehrenmal in direkter Nachbarschaft

PETER STEINBACH, Jahrgang 1948, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Karlsruhe (TH), seit 1989 wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin.

taz: Herr Steinbach, brauchen wir ein Denkmal für tote Soldaten?

Peter Steinbach: Gerade nach den drei getöteten Soldaten in Afghanistan finde ich ein Denkmal für die Opfer der Bundeswehreinsätze mehr als verständlich. Was wir nicht brauchen, ist allerdings eine Kranzabwurfstelle. Dieses Denkmal muss, wenn es einen Sinn hat, ein Stachel sein, eine Mahnung an die Verantwortlichen, die Soldaten in Auslandseinsätze schicken.

Aber es geht doch nicht um ein Antikriegsdenkmal, sondern um ein Ehrenmal für gefallene Soldaten, und zwar um ein ziemlich monumentales, das Assoziationen an Kriegerdenkmäler weckt.

Ich habe den Entwurf von Andreas Meck nicht gesehen, deshalb kann ich ihn ästhetisch nicht beurteilen. Zentral ist etwas anderes: Die Funktion von Denkmälern ist in ihrer Entstehungsphase die Debatte, der öffentliche Streit. Doch genau das fehlt. Niemand kennt die Entwürfe, aber die Entscheidung steht schon fest. Dieses Verfahren ist unklug. Dieses Denkmal läuft Gefahr, allein deshalb nicht akzeptiert zu werden.

Das Ehrenmal soll, so will es Jung, auf dem Appellplatz hinter dem Verteidigungsministerium gebaut werden. Ist das der richtige Ort?

Nein, und zwar aus zwei Gründen. Dort ist dieses Denkmal nicht öffentlich zugänglich. Wer es sehen will, müsste die Sicherheitsschleusen des Ministeriums passieren. Nehmen wir an, jemand hat einen Angehörigen verloren, war gegen den Bundeswehreinsatz und möchte zu diesem Denkmal. Ist es nicht verständlich, dass er da keinen Ausweis vorzeigen will? Zweitens: Verantwortlich für die Bundeswehreinsätze ist der Bundestag. Dort sollte es stehen und den Abgeordneten ihre Verantwortung vor Augen führen.

Im Bendlerblock wurde 1944 Graf Stauffenberg erschossen, heute ist dort die Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Sehen Sie die Gefahr, dass dieses Denkmal die Auslandseinsätze der Bundeswehr historisch-symbolisch in die Nähe des antifaschistischen Widerstands rückt?

Eher nicht. Es würde ja nicht im Innenhof des Bendlerblocks stehen, sondern auf dem Appellplatz, also räumlich getrennt. Die Idee, dieses Denkmal dort zu bauen, erklärt sich aus dem Traditionsverständnis der Bundeswehr, das auf drei Säulen fußt: der Geschichte der Bundeswehr seit 1956 selbst, das spricht für einen Ort direkt beim Ministerium. Zweitens: der Tradition des Widerstandes. Die dritte Säule sind die antinapoleonische Befreiungskriege. Wenn man diese Traditionspflege konsequent betreibt, müsste man die Denkmäler von Scharnhorst und Gneisenau, die Unter den Linden stehen, auch am Bendlerblock aufstellen.

Fürchten Sie als Leiter der Gedenkstätte nicht, dass dieses Bundeswehrdenkmal den Widerstand unlauter instrumentalisieren würde?

Wir haben akzeptiert, dass auf dem Appellplatz, unweit der Hinrichtungsstätte von Stauffenbergs, jährlich die öffentliche Vereidigung der Rekruten stattfindet. Denn wir glauben, dass man Rekruten so klarmacht, dass jeder Befehl und jeder Gehorsam eine Grenze hat. Was ich aber scharf ablehne, ist jede Form von Gleichsetzung des Widerstandes gegen Hitler mit Auslandseinsätzen der Bundeswehr.

Ist dieses Denkmal ein Zeichen, dass die Republik aus dem Schatten der NS-Zeit tritt? Es symbolisiert ja einen Bruch mit der bundesdeutschen Mentalität, alles Soldatische, den Totenkult und den Heroismus der NS-Zeit strikt abzulehnen. Es ist ein Zeichen für die militärische Normalisierung Deutschlands.

Ich hoffe, dass es das eben nicht wird. Die Bundesrepublik wird auch am Hindukusch verteidigt – das sagt sich so leichthin. Wir wissen doch, dass das nicht stimmt. Die zivilen Helfer und Soldaten dort sind in ihrem Selbstverständnis doch Teil einer Friedenstruppe. Die Bundeswehr ist dort aus Bündnisverpflichtung. Und die drei Soldaten, die dort starben, sind Opfer einer politischen Prioritätensetzung geworden. Und dies deutlich zu machen kann der Sinn eines derartigen Denkmals sein. Es ist kein Ort der Trauer und Pietät – das sind die Gräber der Opfer. Ein Denkmal ist Zeichen, Symbol, Mahnung zur Reflexion. Deshalb gehört es vor das Parlament, wo die Entscheidung für die Einsätze fällt. INTERVIEW: STEFAN REINECKE