THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Der Mann gilt als der Deutsche schlechthin: Siegfried, der Drachentöter. Blond, stark und blauäugig, eine Art germanischer He-Man. Unverwundbar, bis auf eine kleine Stelle am Schulterblatt. Und genau durch diese Stelle bohrt sich der Speer des bösen Hagen von Tronje. Noch so ein germanischer Held. Eine Tat, die am Ende zur Katastrophe führt. Es ist eine lange Geschichte von Eifersucht, Kränkung und Verrat, die das Nibelungenlied erzählt. Am Ende werden ganze Völker in den Untergang gerissen.

Das Nibelungenlied bot im 19. und erst recht im 20. Jahrhundert reichlich Material für seinen Missbrauch durch nationalistische, militaristische und völkische Ideologien. Von Richard Wagner bis zu Obernazi Hermann Göring samt seinem Chef Adolf Hitler, der in „Mein Kampf“ vom Mord an Siegfried durch Hagen den Bogen zur Dolchstoßlegende schlug. Jetzt, in unseren Tagen, denen einerseits lauter Post-Präfixe wie postmigrantisch, postkolonialistisch und postnationalistisch vorangestellt werden, während andererseits nicht nur die rohe Gewalt, sondern auch der krude Nationalismus samt ethnischer Säuberungen überall auf der Welt wiederauferstehen, ist das natürlich ein toller Stoff.

Und den hat sich das Maxim Gorki Theater vorgenommen, das sich ja unter anderem an Neuformulierung einer Definition versucht, was „deutsch“ heute überhaupt noch bedeuten könnte. Unter der Regie von Sebastian Nübling hat sich das Theater jetzt also die Tragödie vorgenommen, die Friedrich Hebbel in den Jahren 1850 bis 1860 aus dem blutigen Stoff destillierte: „Der Untergang der Nibelungen – The Beauty of Revenge“ hat Nübling seine Bearbeitung der Trilogie überschrieben, die er auch als eine zuschreibungskritische Aneignung verstanden wissen will (Maxim Gorki Theater: „Der Untergang der Nibelungen – The Beauty of Revenge“, Premiere 23. 10., 19.30 Uhr).

Von Krieg und Untergang handelt auch der Roman „Fliegeralarm“ der deutschen Schriftstellerin Gisela Elsner über den Bombenkrieg, die einer größeren Öffentlichkeit erst durch den Film „Die Unberührbare“ bekannt geworden ist, den ihr Sohn Oskar Roehler mit Hannelore Elsner im Jahr 2000 an ihrer Biografie entlang drehte. Allerdings geht Gisela Elsner in ihrem Roman mit den Trümmerlandschaften, die der Krieg in (Kinder)- seelen und Städten hinterlassen hat, ausgesprochen lakonisch und herzzerreißend um: idealer Stoff für die eigenwillige Schauspielerin und Regisseurin Silvia Rieger, die den Stoff nun mit dem Theaterjugendclub P14 der Volksbühne für das Theater bearbeitet hat (Volksbühne: „Fliegeralam“, Premiere 23. 10., 19 Uhr).