Merkel dämpft Hoffnung auf G 8

Die Bundeskanzlerin hat hehre Pläne für den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm: Sie will die Globalisierung sozialer gestalten, das Klima retten und Hedgefonds transparenter machen. Dabei ist Deutschland nicht unbedingt ein Vorbild

Deutschland habe von der Globalisierung besonders profitiert – 8 Millionen deutsche Jobs hingen vom Export ab, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Und doch wecke die Globalisierung erhebliche Ängste. „Diese nimmt die Bundesregierung ernst“, so Merkel. Öffentlicher Protest sei „legitim“, müsse allerdings „friedlich sein“. Sie verteidigte die Sicherheitsmaßnahmen rund um den G-8-Gipfel: Diejenigen, die jetzt Kritik äußerten, wären die Ersten, die den Behörden „mangelnde Vorsicht vorwerfen, wenn es zu einem Gewaltausbruch kommt“, behauptete die Kanzlerin. HG

AUS BERLIN HANNA GERSMANN

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gibt sich globalisierungskritisch. „Wir wollen der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben“, sagte sie gestern. Das war, als sie dem Bundestag ihre Pläne für den G-8-Gipfel in Heiligendamm vorstellte.

In dem mondänen Ostseebad empfängt sie in zwei Wochen die Staatschefs der reichen Industrienationen und Russland zum alljährlichen Treffen. Es ist ihr bisher größter internationaler Auftritt als Kanzlerin. Der Kreis – Merkel nennt ihn „einmaliges Forum“ – soll Entscheidungen für die Zukunft der Welt treffen.

Die G-8-Chefs wollten Chancen bieten für „Beschäftigung, Wohlstand und Freiheit“, sagt Merkel. Wie sie ihre Versprechen einlösen will? Bei der Vorstellung ihres Plans sagt sie Sätze wie: „Wir wollen eine ernsthafte Diskussion über Transparenz bei Hedgefonds.“ Sie wolle diese mit „viel Geduld“ führen. Hedgefonds gelten wegen ihrer undurchsichtigen Finanzgeschäfte als Risiko für Volkswirtschaften. Oder: „Wir erwarten ein starkes Signal für die Beachtung internationaler Arbeitsstandards.“ Dann wäre etwa Kinderarbeit tabu.

Das hört sich gut an, ist aber eine „Orgie der Unverbindlichkeiten“, kritisiert Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn. Die Unterhändler der G 8 haben in den letzten Wochen die machbaren Schritte ausgelotet. Merkel ruft nicht zu Selbstverpflichtungen für eine gerechtere Welt auf.

Nur bei zwei Themen ist das anders – beim Klimaschutz und der Entwicklungspolitik. „Wir müssen die Treibhausgasemissionen deutlich und zügig verringern“, verlangt Merkel. Die Naturwissenschaftlerin hat den Klimaschutz in Deutschland längst zur Chefsache erklärt. Sie sieht, dass das Wetter verrückt spielt, kennt die jüngsten Reports des UN-Weltklimarats. So erklärt sie, dass „die Energieeffizienz eine herausragende Rolle“ spielen müsse. Sie fordert eine neue internationale Klimapolitik – und sagt zugleich: „Ich weiß heute noch nicht, ob das in Heiligendamm gelingt.“ Klar: US-Präsident George W. Bush stemmt sich öffentlich dagegen.

Das Bild von der verhinderten Klimaschützerin Merkel trügt allerdings auch: In Deutschland haben, so erklärte jüngst das Umweltbundesamt, die Kohlendioxid-Emissionen im letzten Jahr um 0,6 Prozent zugenommen. Und die heimische Autoindustrie hat Merkel erst vor kurzem gegen strikte Emissionsregeln in Brüssel verteidigt. Ähnliches beim Engagement in der Entwicklungspolitik: Die reichen Länder müssten ihre „Zusagen an die Armen einhalten“, forderte Merkel. Vor zwei Jahren hatten sie erklärt ihre jährlichen Hilfszahlungen bis 2010 zu verdoppeln. Der Fraktionschef der Linken, Gregor Gysi, aber erklärt: „Deutschland hinkt hinterher.“ Das bestätigt eine Studie, die die Initiative Data (Debt, Aids, Trade, Africa) des U2-Sängers Bono veröffentlicht hat: Merkel müsste die deutschen Hilfen dieses Jahr um 700 Millionen Euro aufstocken, um ihr Versprechen einzulösen.

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