: Der bepflegte Mann
Die Naturkosmetik-Branche entdeckt die Zielgruppe „Mann“. Die Folge: Viele Männer entdecken ihrerseits das Thema Körperpflege ganz neu – natürlich und sanft soll es nun auch bei den Herren sein
VON CHRISTOPH RASCH
Auch ein Mann aus Eisen wünscht sich zuweilen geschmeidigere Haut: „Ich bin ja nicht eitel“, sagt Faris Al Sultan, aber „Probleme durch viel Schwimmen im Chlorwasser“ oder „verstärkte Hornhautbildung durch das viele Laufen“ sei er einfach leid. Sultan ist Leistungssportler, Gewinner des knallharten „Ironman“-Triathlons – und seit kurzem auch Werbeträger für den niedersächsischen Naturkosmetikhersteller Alva.
Seitdem lässt der Münchner an seinen drahtigen Athletenkörper anscheinend nur noch Wasser sowie die Alva-Pflegeserie „for him“ – und schwört auf Body Lotion aus „unraffiniertem Jojoba- und Traubenkernöl“, auf die Feuchtigkeitscreme mit „Shea- und Cupuacubutter“ oder auf den Kristall-Deoroller mit Aloe-Vera-Extrakt.
Die werbewirksame Symbiose aus Sportidol und sanfter, bewusster Pflegelinie ist symptomatisch: Die Naturkosmetikbranche entdeckt stärker denn je die Zielgruppe „Mann“. Mit der Folge, dass viele Männer ihrerseits das Thema Körperpflege ganz neu entdecken – und jene Produkte, die ohne Gentechnik, Tierversuche und synthetische Duft- oder Farbstoffe hergestellt wurden. Dabei ist es mehr als ein Modetrend: Denn auch Männer fühlen sich nicht immer wohl in ihrer Haut – und wollen etwas tun gegen Pusteln oder Reizungen nach dem Rasieren.
Für sie „ist es keine Blamage mehr, von Hautpflege zu sprechen“, gab eine Kosmetikvertreterin dem Magazin fit for fun zu Protokoll: „Gerade sportliche Männer sind da sehr offen.“ Längst sind auch Szeneprotagonisten wie der Berliner Friseur Udo Walz nicht mehr die einzigen Vertreter ihres Geschlechts, die „alles ausprobieren, was gegen Falten hilft“. Die Berührungsängste schwinden, der Markt für Männerkosmetik allgemein wächst sprunghaft, um mehr als 40 Prozent allein im vergangenen Jahr. Und davon profitiert auch die Naturkosmetik.
Ein „Megatrend“ wird da propagiert: „Grooming“ kommt vom englischen Wort für „sich herausputzen“. Die männlichen „Groomer“ sind im Schnitt Mitte dreißig, sie fragen direkter nach „Mitteln gegen die Ringe unter meinen Augen“ und geben individuell meist sogar mehr für Kosmetik aus als Frauen.
Zudem ist das allgemein stärker ausgeprägte ökologische und ethische Bewusstsein für die meisten Männer eine Art Türöffner: „Auf viele andere Umweltfaktoren hat man keinen Einfluss, aber bei der eigenen Körperpflege wollen Männer die Verantwortung selbst in die Hand nehmen, im doppelten Wortsinn“, sagt Sandra Schütt. Die 36-Jährige betreibt seit sieben Jahren ein Studio für Pflege und Naturkosmetik in Bremen.
Rund ein Drittel ihrer Kunden sind inzwischen Männer, berichtet Schütt. Die maskuline Kosmetikzielgruppe wachse – auch unter ihren Branchenkollegen. „Viele Frauen sind es leid, dass sich ihre Männer heimlich an ihren Tagescremes vergreifen – und schicken sie zu mir“, sagt Sandra Schütt.
Doch die Herren der Schöpfung haben oft nicht nur einen anderen Geschmack als ihre Frauen, sondern auch andere Bedürfnisse. Ihre oftmals „robustere“ Haut etwa, in die die Naturpflegeprodukte dank ihrer essenziellen Fettsäuren ein bisschen besser einziehen.
Was will der Mann? Pflegemittel – da ist sich die Fachwelt halbwegs einig –, die schnelle Resultate zeigen, unkompliziert sind und am besten noch einen Mehrfachnutzen haben: Reinigungsgel mit Peelingeffekt etwa, das die Haut von abgestorbenen Schuppen befreit und gleichzeitig auf die Rasur vorbereitet.
Und was braucht der Mann? Die Bremer Diplomkosmetikerin empfiehlt eine gründliche Reinigungsmilch und eine gute Tagescreme, die tagsüber vor Umweltbelastungen schützt. Aloe Vera sei fast für alle Hauttypen gut, Papaya, ätherische Öle oder Lavendel beruhigen gereizte Haut unter den frisch gescherten Bartstoppeln.
Aber auch ein natürlicher Pflegerhythmus sei wichtig: „Nachts sollte die Haut nicht mit Mitteln überflutet werden, damit sie sich selbst regenerieren kann – und morgens sollte das Gesicht erfrischt werden.“ Mit klarem Wasser oder speziellen Tonics. Übrigens, sagt Sandra Schütt: „Ausreichend Schlaf und gesunde Ernährung sind mindestens ebenso wichtig für eine gute Haut.“
Zum Siegeszug der Naturkosmetik tragen auch die männlichen Kunden bei – und noch haben es die Hersteller recht leicht mit den Herren: „Männer sind treu“, sagt Kosmetikexpertin Sandra Schütt, „sie wechseln – anders als Frauen – nicht so häufig ihre Pflegeprodukte.“ Allerdings: Obwohl immer mehr Deos, Haarwasser, Hautcremes oder Rasierprodukte „für ihn“ auf den Markt kommen, ist das Angebot bei natürlichen Männerpflegeprodukten insgesamt noch relativ übersichtlich. Und dann zumeist auch speziell auf den „männlichen Geschmack“ zugeschnitten.
Häufig kommt der Charakter der Produkte dem männlichen Geschmack entgegen. Zutaten wie Sandelholz, Eukalyptus oder Ingwer verleihen Naturkosmetika oft einen eher herberen Duft, „dunklere“ oder „erdigere“ Noten. Allerdings schießen einige Hersteller beim Geruchsdesign anscheinend übers Ziel hinaus: „Riecht wie Klosterfrau Melissengeist“ oder „nicht Freundin-kompatibel“ bescheinigten mitunter Testberichte in der Presse einigen Produkten.
Andere Kunden beschweren sich in einschlägigen Internetforen über zu früh einsetzenden Schweißgeruch, weil Naturdeos auf Aluminiumsalz verzichten. Andere, ganz Praktiker, bemängeln die von einigen Herstellern verwendeten Glasflaschen: Die seien „am Waschbeckenrand einfach unpraktisch und riskant“.