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Archiv-Artikel

Leere Trainerbänke

Die Tischtennis-WM wird einmal mehr von den Asiaten dominiert. Auch deshalb bleiben die Zuschauer aus

ZAGREB taz ■ Immer häufiger sitzen keine Betreuer an den Banden. Ein schlechtes Zeichen für das europäische Tischtennis, es bedeutet bei der Weltmeisterschaft in Zagreb: Zwei Chinesen treffen an der Platte aufeinander. Die Trainer von der Pingpong-Übermacht lassen dann ihre Schützlinge den Besseren ausspielen. So etwa im Mixed.

Dass sich gestern dennoch ein chinesischer Betreuer um 10 Uhr aus dem Bett quälen und ein wenig Arbeit verrichten musste, lag am kleinen Bruder aus Hongkong: Ko Lai Chak/Tie Yana durften sich ein wenig an dem Weltranglistenersten Ma Lin und Wang Nan versuchen. Gestern Abend (nach Redaktionsschluss) war man aber wieder im gewohnten intimen Kreis. Die Einzel-Weltmeister Wang Liqin und Guo Yue bescherten der WM wieder das Flair von ein paar lockeren Trainingseinheiten in irgendeiner Halle in Peking.

Die ohnehin nicht von den einheimischen Stars Zoran Primorac & Co. verwöhnten Kroaten lockt das nicht in Massen in den Dom Sportova. „Die Zuschauerzahlen sind enttäuschend“, klagte Adham Sharara, Präsident des Tischtennis-Weltverbands ITTF. Dass der ITTF-Server wegen des Interesses und fünf Millionen Zugriffen gleich am ersten Tag der WM zusammenbrach, konnte den Kanadier nicht richtig trösten.

Für die weltweite Vermarktung der nun fünftgrößten Sportorganisation, die ihre Mitgliederzahl in Kroatien von 202 auf 204 nationale Verbände aufstockte, ist der Verlauf der WM ein herber Rückschlag. Überhaupt: Welche WM? Mehr sind es Asien-Meisterschaften mit ein paar europäischen Freiplätzen. Am Freitag hatten nur 5 Namen der 64 verbliebenen Profis keinen asiatischen Klang. Im Frauen-Einzel steigerten die gebürtigen Chinesinnen Wang Chen (USA), Li Jiao (Niederlande) und Liu Jia (Österreich) den Anteil des „Rests der Welt“ auf ein Achtel am drittletzten WM-Tag.

Nichchinesische Namen tragen einzig Daniela Dodean und Elizabeta Samara (Rumänien) sowie Wladimir Samsonow (Weißrussland) und Kalinikos Kreanga und Timo Boll. Der Weltranglistendritte traf gestern Abend im Achtelfinale auf den unberechenbaren Griechen. Der Sieger darf sich der frenetischen Unterstützung der Zuschauer in der Runde der letzten acht gegen einen Südkoreaner sicher sein. Die Vizeweltmeister Boll/Christian Süß hatten am Donnerstag im Viertelfinale Edelmetall und den erneuten Einbruch in die Phalanx der Chinesen verpasst. 2005 in Schanghai hatten die beiden den Gastgebern die einzige Silbermedaille weggeschnappt. Alle fünf güldenen Plaketten waren sowieso im Land geblieben.

Vor der Weltmeisterschaft organisierte der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) deswegen den paneuropäischen Widerstand. Die Stars vom Alten Kontinent rückten in ein gemeinsames Trainingslager ein, um sich mit mehr Wettkampfhärte zu wappnen. Peking reagierte und wies sämtliche ins Ausland gewechselten Pingpong-Artisten an, nicht mit Timo Boll zu üben. Es hat gefruchtet. Die chinesischen Journalisten starten auf der Pressetribüne mitleidige Umfragen, ob nicht doch ein paar Chinesen zu viel die Tischtennis-Welt beglücken. Der Reporter muss deshalb an dieser Stelle Schluss machen. Herr Joysoon vom Daily Sunshine begehrt Auskunft. HARTMUT METZ