ZWISCHEN DEN RILLEN
: Street Credibility mal anders

Von Spar: „Streetlife“ (Italic/Morr/Rough Trade)

„Seit ich denken kann / mache ich ticaret“, rappt Haftbefehl in „H.A.F.T.“, seine Art zu sagen, er macht Geschäfte. An Haftis Street Credibility ist nicht zu zweifeln. Dass der Offenbacher bei den Geschäften auf die „prekären Bonvivants“ (Eigenbeschreibung) der Band Von Spar getroffen ist, scheint eher unwahrscheinlich.

Immerhin beschäftigen sich die drei Musiker Philipp Janzen, Christopher Marquez und Phillip Tielsch auf ihrem neuen Album mit dem „Streetlife“. Obwohl es ihnen zuzutrauen wäre, ist es kein Rap-Album geworden.

Ein Zufall ist dies keineswegs. Schließlich machten die drei zuletzt mit einer Krautrockhommage von sich reden. Sie führten zusammen mit dem US-Musiker Stephen Malkmus (Pavement) „Ege Bamyasi“, das legendäre, 1972 erschienene Album ihrer Urahnen Can live auf.

Darüber hinaus haben Von Spar schon mit so unterschiedlichen Künstlern wie Prins Thomas, John Tejada und Owen Pallett zusammengearbeitet. Auch für die Produktion von „Streetlife“ sind Von Spar auf befreundete Kollegen zugegangen. Die GastsängerInnen gestalten den Sound des Albums sogar entscheidend mit. Das gelingt vor allem Chris Cummings alias Marker Sterling, der vier der acht neuen Von-Spar-Songs seine Stimme leiht.

Dabei hält sich die Kölner Band auch bei ihrem vierten Album an ein bereits bewährtes Genrerepertoire: Von Spar bedienen sich bei Krautrock, Synthpop und Techno, um daraus eine eigene musikalische Ästhetik zu entwickeln. Dabei kommen erst einmal Songs heraus, die auf dem Papier so nicht auf ein Album passen.

Die erste Lektion zum „Streetlife“ – sie handelt von der auf der Straße so wichtigen „Chain Of Command“, klingt noch wie ein gewöhnlicher Indie-Popsong im Stil von Arcade Fire. „Hearts Fear“, Song Nummer 3, lehnt sich dagegen an die Chillwave-Ästhetik der frühen Zehnerjahre an. „Try Though We Might“ ist dann eine lupenreine Softrock-Ballade. Mit „Ahnherr der Schwätzer“ gibt es auch ein Krautrock-Instrumental, und das Finale, „One Human Minute“, spielt lasziv mit Techno-Anleihen.

Bleibt also die Frage nach der besonderen Von-Spar-Ästhetik: Was hält „Streetlife“ zusammen? Einmal natürlich Cummings Gesang, seine seltsame, etwas dünne Stimme, die ihre Zerbrechlichkeit zu verschiedenen Rhythmen erfolgreich erprobt. Andererseits eine Kombination der Instrumente, die über alle Genres hinweg so ziemlich die gleiche bleibt: Synthesizer, Bass und Drums. Gelegentliche Ergänzungen durch Geigen, Gitarren oder Saxofon fallen da nicht weiter ins Gewicht. Das ist das Faszinierende an „Streetlife“: Wie souverän sich die Musiker durch die Genres spielen und wie sie tempounabhängig grooven. Alles eine Frage der Dosis und des Arrangements. Das markiert schon das entspannte Schlagzeug, das die ersten Takte von „Chain of Command“ bildet, um dann eine Klaviermelodie mit sanften Stößen vor sich herzutreiben. Bei „Ahnherr der Schwätzer“ braucht es eine gute Minute Synthiegrummeln und -blubbern, bis die Drums einsetzen und dem Track Struktur verleihen, auf der sich Gitarre und Synthesizer dann ausführlich entfalten können. Der Track „One Human Minute“, der bei Von Spar auf ganze sieben Minuten ausgedehnt wird, kann sich zuletzt auf abgehackte Trommelschläge verlassen, die zusammen mit einem irrlichternden Klavierakkord und einer simplen Bassline den Weg zu einigen Zeilen Gesang bahnen.

Keine Frage: Von Spar beherrschen ihr Handwerk und haben sich deswegen eine ganze Menge Street Credibility verdient. Dazu schaffen sie es auch mit wesentlich weniger Gangster-Allüren als Haftbefehl, ein gutes Album zu machen – und dürfen es deshalb ganz zu Recht „Streetlife“ nennen. ELIAS KREUZMAIR