Von Briten lernen
Mit der BBC-Adaption „Frühstück mit einer Unbekannten“ (20.15 Uhr) wagt Sat.1 eine Politromanze rund um den G-8-Gipfel – und gewinnt
VON SILKE BURMESTER
So ein G-8-Gipfel ist eine heiße Sache. Wie gut, wenn man von denen, die die Party schon im eigenen Land hatten, abschaut: von den Russen, wie man mit unliebsamen Meinungsträgern im Vorfeld umgeht, von den Italienern, wie man sie vor Ort niederstreckt. Und von den Briten, wie man einen guten Film zum Thema macht.
„The Girl in the Café“ heißt das Original, das die BBC zum G-8-Gipfel 2005 in Gleneagles zeigte. Während unsere Nachbarstaaten den Film des Erfolgsdrehbuchautors und -regisseurs Richard Curtis („Notting Hill“, „Bridget Jones“) einkauften, wollte Deutschland nicht zugreifen. Für Sat.1 haben nun Maria von Heland (Regie) und Martin Rauhaus (Drehbuch) den Stoff adaptiert. Das Original mag ein wenig spritziger sein, ein wenig feiner im Humor. Trotzdem ist „Frühstück mit einer Unbekannten“ eine erstaunliche Produktion: ein Film der unterhält, der lehrreich ist und in den letzten Tagen vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm jene Bürger zu einem Unrechtsbewusstsein animieren könnte, die sich vom politischen Lenor-Gelabere um gute Absichten einflauschen ließen und geneigt sind, an Politiker als „Volksvertreter“ zu glauben. Darüber hinaus setzt der Film den Impuls frei, das Recht auf Demonstration wahrzunehmen, selbst wenn jetzt Wolfgang Schäuble droht mitzumachen.
Die Handlung ist kurz und knapp zu erzählen: Der Mitarbeiter des deutschen Finanzministeriums Laurens Wagner lernt die junge Hebamme Gina Franke kennen und nimmt sie mit zum G-8-Gipfel nach Heiligendamm. Im Kreise der Verantwortlichen ergreift Gina das Wort und prangert die Scheinheiligkeit der Verantwortlichen an.
Bis auf eine kleine Hängepartie in der Mitte des Stückes, als die Handlung vor der Kulisse Heiligendamms einzuschlafen droht, ist der Film in der Lage, den Zuschauer mitzunehmen. Zunächst durch das klassische, fast slapstickartige Eingangsszenario, in dem die klare, aber doch schüchterne Gina und der menschenferne Zahlenzähler Laurens sich begegnen. Später dann, in Heiligendamm, durch die Empathie, die der Zuschauer vor dem Hintergrund der Fakten entwickelt. 30.000 Kinder sterben jeden Tag auf Grund von Armut, die durch ein Leichtes zu beheben wäre, alle drei Sekunden eines. Bekannte Zahlen. Doch es ist der Fakt, den Gina so deutlich zu machen versteht: Weil diese Kinder kein Gesicht haben, weil über sie in den Medien nicht berichtet wird, weil „Zahlen nicht lachen können und auch nicht weinen“, berührt uns das Schicksal nicht. Ein Schicksal, das zu ändern wäre, würden, so Laurens, die Menschen der Industriestaaten auf einen Coffee to go pro Woche verzichten oder Frauen weltweit nur halb so viel für Parfüm ausgeben.
Es ist dem Fernsehen hoch anzurechnen, eine Botschaft in die Wohnzimmer zu schicken, die dort sonst wohlmöglich nie ankäme. Dass dies so gut gelingt, liegt auch an dem außergewöhnlich guten Cast, unter anderem mit Jan Josef Liefers als Laurens, Julia Jentsch als Gina und Jürgen Heinrich, der als unsympathischer Finanzminister eine überzeugende Figur macht. Dass das Szenario fern der Realität im Winter spielt, tut der Überzeugungskraft keinen Abbruch. Im Gegenteil, die graue Kulisse determiniert die Kühle der politischen Entscheidungsgewalten.
„Frühstück mit einer Unbekannten“ ist eine der wenigen Produktionen, die man sich aus Gründen des Entertainments anschaut und die nicht das fahle Gefühl hinterlassen, seine Zeit verplempert zu haben. Es ist schade, dass es wieder erst einen Vorreiter geben muss, der zeigt, wie es geht. Aber so lange wir von den Briten in Sachen Fernsehen lernen, geht es noch. Würden wir in Sachen Politik abkupfern, wäre es schlimmer.