: Renaissance des Ablasshandels
Die Telekom AG schenkt der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada 150.000 Euro, und das Bundeskabinett um Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kämpft künftig mit einer „Task Force“ gegen die Auswüchse des Dopings
BERLIN taz ■ Der Dominikanermönch Johann Tetzel machte im 15. Jahrhundert prima Geschäfte mit dem Ablasshandel. Ein Sünder konnte sich seinerzeit einen Ablassbrief gegen bare Münze kaufen und war erlöst. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“, soll Tetzel gesagt haben.
Die Telekom hat es jetzt wie Tetzel gemacht. Sie hat der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) in Bonn 150.000 Euro überlassen, damit diese fein säuberlich gegen Doping kämpft. Gleichzeitig betreibt die Telekom aber das, nun ja, sündige Geschäft mit dem Radsport weiter. Der Großkonzern tritt auch nach der Geständnisoffensive ehemaliger Profis als Geldgeber der Radler auf. Zwar räumte Jürgen Kindervater, von 1990 bis 2002 Kommunikationschef der Telekom, jetzt in der Zeit ein, dass er nicht wirklich an einen sauberen Radsport geglaubt habe. Das hat ihn aber nicht weiter beunruhigt, denn die Sportärzte der Magenta-Jungs konnten ihn beruhigen: „Ich habe im Auftrag des Vorstands in der Freiburger Sportklinik, die das Team betreute, nach Doping gefragt. Die Mediziner sagten, alles ist wasserdicht. Ich habe denen voll vertraut“. Fairerweise muss man sagen: Das systematische Doping war wasserdicht – bis zu den Enthüllungen der letzten Zeit.
Damit hat sich gestern auch die Politik befasst. Im Kabinett wurde über eine Verschärfung des Antidopinggesetzes beraten. Das Ergebnis: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) will mit einer Eingreiftruppe gegen Doping im Sport vorgehen. Er kündigte am Mittwoch die Einsetzung einer „Task Force“ an. Sie soll untersuchen, ob Steuergelder in der Vergangenheit missbräuchlich verwendet wurden.
Außerdem will die Bundesregierung den Vorschlag des Bundesrats prüfen, die Einfuhr von Arzneimitteln zu Dopingzwecken zu verbieten. Allerdings bedürfe es in den meisten Fällen keines besonderen Straftatbestands, weil die Besitzstrafbarkeit bereits greife. Eine Kronzeugenregelung, die der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf ebenfalls angeregt hatte, sei durch den Kabinettsbeschluss vom 16. Mai bereits umgesetzt worden. Mit der von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) geplanten Kronzeugenregelung sollen auch banden- und gewerbsmäßige Dopingstraftaten bekämpft werden. Wie der Kampf gegen die Doperei noch effektiver werden kann, das weiß der Präsident des Leichtathletik-Verbandes, Clemens Prokop: Der Staat soll einen Teil der Förderung für den Spitzensport in den Antidopingkampf investieren. „Ich appelliere an die Bundesregierung, 5 Prozent der Sportförderung für die Dopingbekämpfung umzuwidmen“, forderte er. Bei einem staatlichen Fördervolumen von rund 150 Millionen Euro (allein das Innenministerium gibt etwa 100 Millionen Euro) wären dies etwa 7,5 Millionen Euro jährlich. „Wenn zudem Sportarten, die keine Fördermittel erhalten wie der Profifußball, noch 1 Prozent ihrer Fernsehgelder beisteuern würden, könnte der Kampf gegen Doping fast revolutioniert werden“, glaubt Prokop.
Der Bund hat in diesem Jahr das Stiftungskapital der Nada bereits um 2 Millionen auf 8,6 Millionen Euro aufgestockt. Damit ließe sich ein ganz besonders dicker Ablassbrief kaufen.
MARKUS VÖLKER
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