: Neue Dimensionen
SCHWEDEN Pioniere der Gleichberechtigung
VON RAINER FUSSGÄNGER
Es gibt wohl nur wenige andere Länder, die in Deutschland ähnlich hohe Sympathiewerte genießen wie das Königreich Schweden. Das Land von ABBA, Astrid Lindgren, IKEA und Kurt Wallander lockt mit seinen scheinbar unberührten Wäldern und tiefblauen Seen Scharen deutscher Touristen in den Norden. Am schwedischen Deutschlandbild dagegen ließe sich durchaus noch arbeiten. Fleiß, Ordnung, Disziplin und Autobahn sind für viele Schweden die ersten Assoziationen. Lichtblicke sind das stetig wachsende Interesse an Berlin und die inzwischen fast positiv bewertete deutsche Fußballnationalmannschaft.
Das Gerücht, Schweden habe in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter, ist teilweise sehr wohl berechtigt. Für viele Unternehmen etwa ist selbstverständlich, dass Kindererziehung und -betreuung nicht nur die Mütter betrifft. Ex-Justizminister Thomas Bodström etwa nahm in jeder zweiten Woche keine Termine nach 16 Uhr an, weil ihm dann die Aufgabe zufiel, die Kinder in der Tagesstätte abzuholen. So hat sich das skandinavische Land in Sachen Gleichberechtigung schon früh den Ruf des Vorbilds erworben. Nicht zuletzt zeigt sich das auch beim Frauenfußball.
Zwar gilt Deutschland mit nunmehr fünf EM-Titeln in Folge auch im nördlichen Teil des Kontinents als nahezu unschlagbar und die Jugendarbeit des DFB bei Mädchen und Frauen als modellhaft; den ersten EM-Titel überhaupt jedoch gewannen 1984 die Schwedinnen. Dreimal erreichte „Blau-Gelb“ das EM-Finale, 2003 auch das WM-Endspiel – gegen die Deutschen, die durch ein Golden Goal die Schwedinnen besiegten und ihren ersten Weltmeistertitel errangen.
Die nationale Liga Schwedens, die Damallsvenskan, vermarktete sich vor der Gründung der amerikanischen Women Professional Soccer League (WPS) im Jahr 2009 gern als beste Liga der Welt. Und tatsächlich spielten hier viele der Besten: Vor allem wohl Marta Vieira da Silva, die brasilianische Ausnahmestürmerin, die den Frauenfußball in eine neue Dimension führte. Marta stand von 2004 bis 2008 in Diensten des Umeå IK, und solange sie das Trikot mit der seltenen Nummer 60 trug, hatten die Nordschwedinnen den Meistertitel abonniert.
Aber auch zwei deutsche Weltmeisterinnen waren vor nicht langer Zeit in Stockholm ansässig. Ariane Hingst spielte zwei Jahre für Djurgarden, und die für viele weltbeste Torhüterin Nadine Angerer lernte immerhin ein Jahr lang Schwedisch und ließ meist sonntags Stürmerinnen mit ihren Blitzreaktionen verzweifeln.
In der aktuellen Weltrangliste rangieren Schwedens Kickerinnen derzeit auf Platz fünf. Mit Sara Thunebro, Jessica Landström (beide Frankfurt) und Antonia Göransson (Hamburg) sind es mittlerweile drei schwedische Vertreterinnen, die in der Bundesliga aktiv sind. Mit Nordkorea und den USA bekam man bei der WM zwei Gegner zugelost, die schon 2003 und 2007 Gegner Schwedens waren. Überstehen die Schwedinnen die schwere Vorrunde, dann können sie weit kommen, hofft der Trainer Thomas Dennerby – übrigens ein ehemaliger Kriminalkommissar.
■ Rainer Fußgänger, geboren 1962, studierte Neuere Deutsche Literaturgeschichte, Politische Wissenschaft und Anglistik, arbeitet seit 16 Jahren beim Goethe-Institut Schweden
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