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Archiv-Artikel

Debüt mit Niveau

ÄQUATORIALGUINEA Ohne Liga besser als die Männer

VON LENA JUKNEVICIUS

Viele in Deutschland dürften Schwierigkeiten haben, Äquatorialguinea auf der Landkarte zu verorten; es liegt knapp über dem Äquator am Golf von Guinea, zwischen Kamerun im Norden und Gabun im Süden und Osten. Unter Kennern des Frauenfußballs ist Äquatorialguinea jedoch keine unbekannte Größe, seit das Team 2008 überraschend die Afrika-Meisterschaft gewann.

Äquatorialguinea ist einer der kleinsten Staaten Afrikas. Auf einer Fläche, die etwa dem Bundesland Brandenburg entspricht, leben eine halbe Million Einwohner. Und fast jeder von ihnen kennt Genoveva Anonma, die Starstürmerin und Kapitänin der Frauennationalmannschaft. Nachdem sie ihre Mannschaft 2008 als Torschützenkönigin zum Sieg beim Afrika-Cup geführt hatte, verließ sie den Hauptstadtclub Malabo und ging zum USV Jena, nach der WM wird sie zum Deutschen Meister Turbine Potsdam wechseln. In Deutschland fühle sie sich sehr wohl, sagt Anonma. Sie schätze die professionelle Atmosphäre und die guten Trainingsbedingungen und erhalte ständig Anfragen von ehemaligen Klubkameradinnen, ob noch mehr Bedarf an Spielerinnen bestehe. Manchmal, erzählt sie, werde ihr plötzlich bewusst, dass sie hier mit und gegen Weltmeisterinnen spielen darf, und dann rufe sie spontan: „Qué milagro!“ Was für ein Wunder! Vor ihrer Ankunft, gesteht sie, sei ihre größte Sorge die Angst vor Fremdenfeindlichkeit gewesen; die Realität habe sie aber positiv überrascht.

Deutschland ist in Äquatorialguinea relativ unbekannt. Anders als etwa in Kamerun oder Togo gab es historisch wenige Berührungspunkte. So ist das Deutschlandbild stark von Klischees bestimmt: deutsche Wertarbeit, gute Autos, Effizienz und Ehrlichkeit. Was den Fußball angeht, kennt man selbstverständlich die berühmtesten deutschen Spieler – ehemalige Größen wie Franz Beckenbauer, aber seit der WM in Südafrika auch Lahm, Schweinsteiger oder Özil.

Männer und Frauen sind in Äquatorialguinea gesetzlich gleichgestellt, Frauen besetzen in großer Zahl hohe Staatsämter. Im Fußball dagegen ist es mit der Gleichberechtigung noch nicht so weit; im Frauenfußball gibt es noch nicht mal einen geordneten Ligabetrieb. Obwohl die Frauen auf der Weltrangliste satte hundert Plätze weiter vorne rangieren als ihre Landsmänner (62. gegen 164. Platz), interessieren sich nur wenige Mädchen für das Fußballspielen. Auch Genoveva Anonmas Mutter wollte es ihr verbieten, weil es keine Beschäftigung für Mädchen sei. Kein Wunder, dass das Nationalteam der Frauen über Nachwuchssorgen klagt. Und kein Geheimnis, dass der kleine afrikanische Staat zur Behebung dieses Missstands hoffnungsvolle Fußballerinnen großzügig einbürgert: Die wenigsten Nationalspielerinnen stammen aus Äquatorialguinea.

Bei den vergangenen drei Afrika-Meisterschaften überraschte die Mannschaft durch das hohe Niveau, das sie innerhalb kurzer Zeit erreichen konnte. Man darf gespannt sein, was die Spielerinnen bei ihrer ersten WM-Teilnahme zu bieten haben.

Lena Juknevicius, 1981 geboren, studierte Hispanistik, Vergleichende Kulturwissenschaft und Interkulturelle Kommunikation. Seit 2009 Koordinatorin des Journalistenaustauschprojekts „Nahaufnahme“ im Goethe-Institut München