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Archiv-Artikel

Zufrieden, strebsam, unpolitisch

STUDIERENDE Das politische Interesse der Hochschüler ist auf einem Tiefpunkt. Bedenklich, meint die Bundesbildungsministerin; normal, sagen Studentenvertreter

Die Studie zeigt, dass sich Studierende seltener als „links“ einordnen

VON SASKIA HÖDL

Der politisch aktive Student ist ein Klischee und in realita nur im Ausnahmefall am Campus anzutreffen. Trotz hohen Bildungsniveaus sind die Studierenden heute mehrheitlich unpolitisch, wie der 12. Studierendensurvey der Universität Konstanz im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zeigt. Nur ein Viertel der befragten Studierenden an Universitäten hält politisches Geschehen demnach für sehr wichtig, an Fachhochschulen ist es sogar nur ein Fünftel. Insgesamt wurden für die Studie 5.000 StudentInnen befragt.

Bei der Pressekonferenz am Dienstag relativierte Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) das Ergebnis allerdings, denn politisch engagiert sei auch Ende der Achtziger nur ein kleiner Teil der Studenten gewesen, sagt sie. Den in der Studie aufgezeigten Tiefstand hält sie trotzdem für bedenklich: „Wenn man überlegt, dass hier zukünftige Führungskräfte ausgebildet werden, wird klar, dass über diese Entwicklung diskutiert werden muss.“

Die Konstanzer Studie bestätigt Ergebnisse einer Befragung von 500 Studierenden im Auftrag des Bundespresseamts vom Mai 2013. Die bisher unveröffentlichte Befragung, die der taz vorliegt, zeigt, dass etwa die Hälfte der Studierenden wenig bis gar kein Interesse an Politik hat.

Für André Schnepper, studentisches Mitglied im Vorstand des Deutschen Studentenwerks, ist diese Entwicklung aber nicht nur bei StudentInnen zu beobachten: „Wenn es um politisches Interesse geht, gibt es gesamtgesellschaftliche Zyklen. Studierende sind davon nicht abgekoppelt“, sagte Schnepper zur taz. Sie seien keine homogene Gruppe, es ergebe also keinen Sinn, sie isoliert zu betrachten.

Die Studie des BMBF zeigt außerdem, dass sich Studierende seltener als „links“ einordnen, als in den Jahren zuvor. Im rechten Spektrum bleibt die Zahl nahezu gleich. Von einer Grundveränderung der politischen Einstellung unter StudentInnen könne man aber nicht sprechen, meint Schnepper. „Studierende können mit dem Standardschema links/rechts weniger anfangen als noch vor zehn Jahren. Die politische Einordnung erfolgt heute mehr über Themen als über Parteien.“

Dass Studierende keine Zeit haben, um sich zu engagieren, kann durch den Survey nicht belegt werden. Der Zeitaufwand für das Studium blieb in den vergangenen Jahren etwa gleich, im Durchschnitt vertiefen sich die Studierenden 33 Wochenstunden in ihr Fach. Allerdings sei die Stoffmenge gewachsen, was den Druck erhöhe, meint Frank Multrus, einer der Konstanzer Autoren. So kämpft etwa die Hälfte der Studierenden mit Prüfungsangst oder hat Sorge, das Studium nicht zu schaffen.

Insgesamt zeigt sich die Mehrheit der Befragten aber zufrieden – die Qualität der Lehre und der Lehrenden wird positiver bewertet als in den Jahren zuvor. Aufbau und Struktur der Studiengänge beurteilen zwei Drittel der Befragten als gut. Ein Viertel der Studierenden wünscht sich kleinere Gruppen und mehr Angebote zur Studienfinanzierung.