: Chávez bleibt stur
Trotz Protesten gegen die Abschaltung des venezolanischen Privatsenders RCTV will Regierungschef Hugo Chávez die Sendelizenz nicht verlängern
VON GERHARD DILGER
Der Streit um den venezolanischen Privatsender RCTV hält an: Nachdem der brasilianische Senat Hugo Chávez aufgefordert hatte, dem Sender die am Sonntag ausgelaufene Lizenz zurückzugeben, erwiderte der Linksnationalist am Donnerstag: „Es ist viel leichter, dass sich das portugiesische Weltreich wieder in Brasilien einrichtet, als dass Venezuelas Regierung die abgelaufene Konzession an einen Sender der Oligarchie zurückgibt.“ Dann sprach er den Brasilianern sein „Beileid“ dafür aus, dass ihre konservativen Parlamentarier „das nachplappern, was Washington sagt“.
Damit gab Chávez, der in den letzten Tagen ungewohnt hilflos gewirkt hatte, die Tonlage für die Jahrestagung der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) vor, die sich ab Sonntag in Panama mit RCTV beschäftigen wird. Die Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay wiesen das Ansinnen Venezuelas zurück, die Maßnahme zu unterstützen. Seine konservativen Kollegen aus der Region nutzten die Nicht-Verlängerung der Lizenz für Attacken: „Immer, wenn ein Medium geschlossen wird, ist das eine tödliche Verwundung für die Demokratie“, sagte etwa Óscar Arias aus Costa Rica.
Mit Sicherheit wird Venezuela bei der OAS-Tagung auf derlei Kritik mit Gegenangriffen antworten. Um Argumente werden die Regierungsvertreter kaum verlegen sein: Im Bürgerkriegsland Kolumbien gehört die Tageszeitung El Tiempo, die fast über eine Monopolstellung verfügt, der Familie des Vizepräsidenten. 2004 ließ die Regierung die drei Stationen des staatlichen Instituts für Radio und Fernsehen schließen. Mexiko ist laut Reporter ohne Grenzen nach dem Irak für Journalisten das gefährlichste Land der Welt.
„Nur in Kuba gibt es weniger Pressefreiheit als in Chile“, meint der chilenische Forscher Felipe Portales. Die Medienkonzentration habe seit dem Ende der Pinochet-Diktatur 1990 sogar noch zugenommen. Dem von Chávez-Freund Evo Morales regierten Bolivien hingegen bescheinigte Reporter ohne Grenzen im letzten Jahr die größte Pressefreiheit in der Region.
Am meisten wurde Chávez in Venezuela selbst in die Defensive gedrängt. Der Bischof Roberto Lückert meinte, er habe seinen „bislang schlimmsten politischen Fehler“ begangen. Jeden Tag demonstrieren tausende Studenten gewaltfrei in mehreren Städten. Dem Oppositionssender Globovisión warf Chávez vor, er habe zu seiner Ermordung aufgerufen. Der Kanal hatte Bilder vom 1981 verübten Attentatsversuch auf Papst Johannes Paul II. mit dem Salsa-Lied „Esto no termina aquí“ („Das ist hier noch nicht vorbei“) unterlegt. Ein Lizenzentzug ist jedoch ebenso unwahrscheinlich wie Beschränkungen des breiten Meinungsspektrums der Printmedien. Der linke Parlamentarier Ismael García appellierte dennoch an seine Kollegen: „Pluralismus und Vielfalt müssen für uns mehr sein als Lippenbekenntnisse.“