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Archiv-Artikel

Tschüss, Vattenfall!

Die Empfehlung der StromwechelaktivistInnen: den Vattenfall-Vertrag kündigen und umweltfreundlichen Strom beziehen … und alle empfehlen mit

Wie mitmachen? 

■  Lokaltreffen in Berlin:

Am besten heute Abend in die Crellestraße 35 in Schöneberg, im Erdgeschoss links, mit einer Tüte Knabberzeug um 19.30 Uhr zum Treffen kommen. Hier könnt ihr euch direkt informieren, wie ihr mitmachen könnt.

Heute ist das Thema vor allem der Kampagnenschwerpunkt Treptow im Juli.

■  Im Internet findet ihr die Kampagne unter:

tschuess-vattenfall-berlin.de

„Zukünftig will Vattenfall Strom und Wärme vollständig CO2-neutral produzieren“, lautet ein aktueller Slogan auf der Seite des Stromkonzerns. Der Spruch beweist: Umweltfreundlichkeit ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Verkaufsfaktor geworden. Das scheinen auch die großen Stromkonzerne erkannt zu haben, die sich seit einiger Zeit darum bemühen, ihre umweltfreundliche Seite nach außen zu kehren. „Bloße Augenwischerei“, kommentiert Andrea Andersen, Mitinitiatorin der Kampagne „Tschüss Vattenfall!“, die Ökoversprechungen des Konzerns.

In den Augen der Kampagne ist Vattenfall nach wie vor eine große Gefahr für Klima und Umwelt. Zum einen betreibt der Energieriese mehrere Atomkraftwerke in Deutschland und Schweden, die viele Sicherheitsmängel aufweisen. In den AKWs Krümmel und Brunsbüttel gab es 2007 Brände, die zur dauerhaften Abschaltung führten. Das schwedische AKW Forsmark stand 2006 nach einem Stromausfall kurz vor der Kernschmelze. Nachdem Kanzlerin Merkel zwei der drei von Vattenfall in Deutschland betriebenen Atomkraftwerke abschalten ließ, soll das AKW Brokdorf noch bis 2021 am Netz bleiben.

Zum anderen ist die Hauptenergiequelle von Vattenfall nach wie vor Kohle. Fossile Brennstoffe machen über 90 Prozent der Gesamtenergiemenge aus. Daran habe sich nichts geändert, erklärt Florian Noto, ebenfalls Initiator der Kampagne und Mitglied beim BUND.

In Verbindung mit seinen umweltfreundlichen Versprechungen geht der Konzern nun mit einem Konzept auf den Markt, das von Umweltschützern stark kritisiert wird. Stichwort: CO2-neutral Energie produzieren. In der Lausitz betreibt der Konzern seit 2008 eine Pilotanlage, in der die dafür zum Einsatz kommende Technologie Carbon Capture and Storage (CCS) getestet werden soll. Über eine Pipeline sollen die Abgase des in der Nähe liegenden Kraftwerks Jänschwalde in flüssiger Form in den Boden gebracht werden. „Das ist eine Gefahr für das Berliner Grundwasser“, warnt Noto.

Dies sind nur zwei Beispiele der Initiative „Tschüss Vattenfall!“, die belegen, dass es bei Vattenfall mit dem Umweltschutz nicht weit her ist. Für sie steht fest: Sauberer Strom braucht kein Endlager, weder für Atommüll noch für CO2.

Um Druck auf Vattenfall auszuüben, soll dem Konzern die Wirtschaftsgrundlage genommen werden. „Bis heute haben bereits ein Viertel der Berlinerinnen und Berliner ihren Vertrag bei Vattenfall gekündigt. Das ist zwar ein großer Erfolg, aber noch lange nicht das Ende der Fahnenstange“, erklärt Noto. Deshalb versucht die Initiative, die ein Zusammenschluss aus mehreren Berliner Umwelt- und Antiatomgruppen ist, nun die restlichen 75 Prozent zum Wechsel des Anbieters zu motivieren. Die Kampagne wirbt als Alternative zu Vattenfall für Ökostromanbieter. „Trotz unserer Empfehlung sind wir eine unabhängige Gruppe“, betont Andersen.

Um mit „Tschüss Vattenfall“ alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen, hat im Mai eine zwölfmonatige Bezirkskampagne begonnen. In jedem Monat sollen in einem anderen Berliner Bezirk Aktionen und Veranstaltungen durchgeführt werden. „Wir wollten über die Szenekieze hinausgehen“, erklärt Andersen.

Im Juni wird in Charlottenburg die Initiative von Privatleuten unterstützt, die sich dafür einsetzen, dass Geschäfte am Klausenerplatz die sogenannte Wechselbox in ihren Geschäften aufstellen. In der Box befinden sich Broschüren, in denen Interessenten über alternative Stromanbieter aufgeklärt werden. Auch die im Mai in Schöneberg angebotenen Beratungsstunden für den Stromwechsel waren gut besucht.

Die Resonanz stimmt die Gruppe optimistisch. „Wir hoffen, dass die Kampagne durch die Beteiligung von Privatpersonen zum Selbstläufer wird“, erklärt Andersen. Im Juli geht die Infotour in Treptow weiter.

Weiterhin setzt die Gruppe auf medienwirksame Aktionen: Zum Tourauftakt fand am 26. April, dem Jahrestag von Tschernobyl, eine große Kundgebung am Brandenburger Tor statt. Am selben Abend gab es eine Podiumsdiskussion mit internationalen Atomexperten. Für die Kampagne konnten bereits erste Prominente wie die „Tatort“-Kommissarin Simone Thomalla und die SpongeBob-Stimme Santiago Ziesmer gewonnen werden.

Die Kampagne freut sich ebenfalls über MitstreiterInnen, die den Stromwechsel in ihrem Bezirk vorantreiben wollen. Wer sich beteiligen will, kann zu den regelmäßig stattfindenden Treffen in der Berliner BUND-Zentrale in der Crellestraße in Schöneberg kommen und sich inhaltlich einbringen. Das nächste Treffen findet heute Abend statt. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Initiative zu kontaktieren, wenn beim Vorantreiben der Energiewende im eigenen Kiez noch Hilfe benötigt wird. „Es liegt nun an den Berlinerinnen und Berlinern, sich persönlich von Vattenfall zu verabschieden“, appelliert Andersen. LUKAS DUBRO