Geburt eines Außenseiters

Der VfL Osnabrück schafft nach einem 2 : 1-Heimsieg gegen RW Ahlen und mit Schützenhilfe von St. Pauli doch noch den Aufstieg in die Zweite Fußball-Bundesliga. Dort sei man nun erster Abstiegskandidat, sagt Trainer Claus-Dieter Wollitz

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff ist Mitglied beim VfL Osnabrück, Mitglied und Fan. Eigentlich nichts Neues, aber trotzdem gab es für vergangenen Samstag einen Planungsfehler in der Staatskanzlei: Statt beim entscheidenden Heimspiel der Osnabrücker gegen RW Ahlen dabei sein zu dürfen, musste Wulff zu einem Feuerwehrfest inklusive Rede. Aber immerhin gibt es Handys. Wulff ist per SMS drangeblieben.

Erfahren hat er, dass in Osnabrück 19.000 VfL-Fans den 2 : 1-Sieg gegen Ahlen frenetisch feierten. Sie taten das schon, als noch gar nicht klar war, ob der Sieg auch den Aufstieg bedeutet. „Hört auf, die spielen noch“, herrschte der Manager des Regionalligisten, Lothar Gans, die Fans an. Die, das waren Magdeburg und St. Pauli. Nur weil es dort beim Unentschieden geblieben war, konnte der VfL Osnabrück bei gleichzeitigem Heimsieg zum dritten Mal nach 2000 und 2003 in die zweite Bundesliga aufsteigen. Ein Erfolg, an den kaum noch einer geglaubt hatte.

Insgesamt 15 Spieltage hatten die Niedersachsen die Regionalliga Nord angeführt, die zweite Liga ständig vor Augen. Dann kam im Frühjahr der Einbruch. Die Mannschaft verlor immer häufiger, der FC St. Pauli und Magdeburg konnten an den Lila-Weißen vorbeiziehen. Plötzlich fand sich der VfL Osnabrück nur noch auf Platz vier der Regionalliga wieder.

Die Spieler zeigten keine Entschlossenheit mehr und gaben so Punkt für Punkt ab. Dass irgendetwas in der Mannschaft nicht stimmte, war deutlich zu sehen. Fragen nach Missstimmung zwischen dem Trainer Claus-Dieter „Pele“ Wollitz und seinen Fußballern schmetterte dieser brüsk ab. Für ihn war das mangelhafte Nervenkostüm der Spieler schuld.

Gegen Ahlen zeigten die Osnabrücker in der ersten Halbzeit noch den Fußball, den man von ihnen in den vergangenen Wochen gewohnt war. Fehlpässe im Mittelfeld waren häufiger als geglückte Abspiele. Die Abwehr machte einen desorientierten Eindruck, und Außenverteidiger Tredup legte letztlich dem Ahlener Bamba den Ball zum 0 : 1 einladend vor die Füße.

Die Hoffnung auf den Tribünen im ausverkauften Stadion schwand mit jeder Minute weiter. Obwohl Wollitz schnell reagierte und bereits nach einer halben Stunde mit Chitsulo einen dritten Stürmer brachte, änderte sich das Spiel erst mit Beginn der zweiten Halbzeit. Der zuletzt enttäuschende Mittelfeldregisseur Nouri hatte bis dahin auf der Bank gesessen und nahm jetzt das Spiel in die Hand.

Als dann Abwehrchef Cichon in der 80. Minute einen Eckball von Nouri mit aller Gewalt unter die Latte köpft, ist der Glaube an das Wunder von Osnabrück zurück: Mittlerweile war auch hier bekannt geworden, dass Magdeburg zurückliegt. Doch es sollte noch eine Zitterpartie werden, denn erst in der 86. Minute erlöste Reichenberger mit seinem Treffer zum 2 : 1 seine Mannschaft. Als der Schiri kurz darauf abpfeift, wird das Spielfeld zum lila-weißen Meer.

St.-Pauli-Sprechchöre ertönen, denn man weiß, wessen Schützenhilfe man den Aufstieg zu verdanken hat. Wollitz sagte, der Fairness der Hamburger, trotz schon erfolgten Aufstiegs in Magdeburg noch engagiert zu spielen, gebühre „einfach nur Respekt.“

Mit mittlerweile getrockneten Freudentränen hat der Trainer bereits die nächste Saison vor Augen und sieht schwierige Zeiten auf die Mannschaft zukommen. „Dass wir der erste Abstiegskandidat sind, ist klar“, sagt Wollitz. Er spricht vom VfL als krassem Außenseiter und will neben dem bereits verpflichteten Gaetano Manno vom Ligarivalen Wuppertaler SV noch fünf oder sechs weitere „Charaktere“ in die Stadt am Teutoburgerwald holen. Heiko Ostendorf