Nach dem Kahlschlag herrscht Ruhe am Kai

Mit Edelholzexporten finanzierte sich Taylor einst. Der Sektor liegt heute still. Taylors damalige Partner warten im Exil auf eine neue Chance

HARPER taz ■ Die Klumpen stinken erbärmlich und sehen aus wie Erbrochenes. Wie kleine Schweinehälften liegt das Kautschuk auf einem Haufen. Das Naturgummi wird auf ein kleines Schiff gehievt, das den Rohstoff aus dem Hafen von Harper bringt. „Noch vor fünf Jahren luden die hier nicht Kautschuk, sondern Baumstämme“, sagt der Lokaljournalist Aaron Collins. Er erzählt, wie sich in diesem Hafen im äußersten Südosten Liberias seit Beginn der 90er-Jahre bis 2003 das Tropenholz meterhoch stapelte. Das war die Zeit, in der Charles Taylor die Region kontrollierte – erst als Kriegsfürst, später als gewählter Präsident Liberias. Die Weltbank schätzte damals, dass jährlich bis zu 53 Millionen Dollar aus dem Tropenholzgeschäft in die Taschen der Bürgerkriegsfraktion von Taylor flossen.

Das liberianische Holz ging vor allem nach Europa, wichtigster Kunde war Frankreich. Um Harper herum betrieb das Holzschlagunternehmen „Maryland Wood Processing Industry“ (MWPI) Raubbau in den dichten Wäldern. Swen Nyekan, ein Exmanager des Unternehmens, sagt, dass er im Jahr 2003 insgesamt 24 Schiffe gezählt habe. Ein Schiff kann 1.000 Kubikmeter Holz laden. Nach dem Marktpreis wäre das ein Volumen von 6 Millionen Dollar. Andere nennen viel höhere Zahlen. Varo Gray, Ex-MWPI-Angestellter und heutiger Sprecher ehemaliger Baumfäller, sagt, er habe in einigen Monaten allein bis zu acht Schiffe gezählt.

Von der alten Zeit zeugen heute nur ein paar zurückgelassene Baumstämme im kleinen Hafen von Harper, in dem nicht mehr als zwei oder drei Frachtschiffe auf einmal andocken können. Harper galt neben den anderen liberianischen Häfen in Buchanan und Greenville als Hauptausfuhrstation für Tropenholz. Die MWPI wurde vom libanesischen Fawas-Clan gesteuert und war Taylor gegenüber loyal. „Der Chef hieß Abbas Fawas, aber nichts ging ohne Charles Taylor in Monrovia. Er war wie der große Pate und größter Profiteur hinter den Aktivitäten von MWPI“, sagt Exmanager Nyekan. Die Aktivitäten von MWPI waren beherrschend im Südosten sowie im Nordwesten Liberias. MWPI galt als Staat im Staate. Die Holzfäller-Firma hatte die gesamte Verwaltung des Hafens Harper von der Regierung Taylor übertragen bekommen. Behördliche Kontrolleure waren zu Statisten degradiert und bekamen ihr Gehalt vom Unternehmen. MWPI füllte seine Exportpapiere selbst aus. Wenn ein Beamter vom Forstschutz auf die Idee kam, MWPI wegen illegalen Baumschlags anzuschwärzen, dann bekam nicht das Unternehmen Ärger, sondern er.

„Schnell war uns klar, dass es nur darum ging, ohne Rücksicht auf Verluste Profit aus dem Wald zu holen“, sagt Swen Nyekan. Normalerweise sah das liberianische Forstgesetz „Block logging“ vor, dass also Holzschlag nur in einem bestimmten abgesteckten Areal stattfinden darf. Das habe MWPI nicht interessiert, sagt der 49-Jährige. Auch vorgesehene Entschädigungsleistungen etwa für beschädigte Bäume, die beim Fällen stehen bleiben sollten, habe das Unternehmen einfach nicht gezahlt.

MWPI genoss Protektion von höchster Stelle. „Es war ein offenes Geheimnis zu jener Zeit, dass MWPI die Bürgerkriegsmilizen von Taylor unterstützte und mit Waffen ausrüstete“, sagt Nyekan. Er sei mehrfach dabei gewesen, als Schiffe mit verdächtiger Fracht entladen wurden. Schaulustige wurden dann vom Kai verscheucht.

Die Rolle, die im Bürgerkrieg in Sierra Leone Diamanten zukam, spielte in Liberia das Tropenholz. Mit dem Geld von MWPI wurden Rebellen unterstützt, die ab 2002 beim östlichen Nachbarn Elfenbeinküste Tod und Zerstörung brachten. Die Holzwirtschaft erhielt die Quittung, als die ivorische Regierung eine eigene Miliz für Liberia aufstellte. Die Rebellen der MODEL, die vom Osten her Richtung Monrovia marschierten, plünderten im Jahr 2003 die Produktionsstätte von MWPI. Damals hatte das liberianische Tropenholzgeschäft bereits seit zwei Jahren unter internationalen Sanktionen gestanden. Der Boykott wurde von der UNO im Juni 2006 aufgehoben – trotz scharfer Kritik internationaler Umweltorganisationen. Liberias neue Regierung habe den Sektor noch nicht richtig im Griff, sagten sie.

Anfang vergangenen Jahres erklärte die neue Regierung von Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf sämtliche alten Forstlizenzen für ungültig und erstellte neue Kriterien für die Vergabe neuer Baumschlagkonzessionen. Danach kann von der Vergabe ausgeschlossen werden, wer mit Waffen oder illegalen Geldgeschäften im Bürgerkrieg mitgemischt hat.

Nun warten die Ex-MWPI-Arbeiter in Harper auf die Rückkehr der Holzfäller. Der Holzeinschlag war früher der größte Arbeitgeber der Region, und es fehlt jetzt auch an Bau- und Möbelholz. Sie-Teba Neufville, der Präfekt, hofft auf einen Wiederbeginn noch in diesem Jahr. Das französische Holzunternehmen „Groupe Rougier“ habe bereits Interesse an Investitionen angemeldet. Varo Gray, Sprecher der ehemaligen Holzarbeiter, oder Exmanager Swen Nyekan sorgen sich mehr um Arbeitsplätze denn um den Wald. Viele, sagen sie, wären auch bereit, den alten Chef von MWPI, Abbas Fawas, wieder zu empfangen. Der Libanese, der sich angeblich in seiner Heimat aufhält, soll an einer Rückkehr interessiert sein. HAKEEM JIMO