: Viel zu früh ohne Sauerstoff
Fischer ziehen derzeit tote Zander und Kaulbarsche aus der Elbe, weil der Fluss zu wenig Sauerstoff führt. Der BUND warnt vor einer weiteren Flussvertiefung und vor dem geplanten Kohlekraftwerk
VON GERNOT KNÖDLER
Das Sauerstoffloch in der Elbe ist in diesem Jahr besonders früh aufgetreten. Nach den Daten der Wassergütestelle Elbe ist der Sauerstoffgehalt des Stroms an einigen Stellen unter die kritische Grenze von drei Milligramm pro Liter gefallen. Bei weniger als drei Milligramm beginnen die Fische zu ersticken. Tatsächlich fanden Fischer in den vergangenen Tagen viele tote Tiere in ihren Netzen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat den Senat deshalb aufgefordert, auf eine weitere Elbvertiefung und ein neues Kohlekraftwerk in Moorburg zu verzichten.
Nach Angaben des Senats kommt es zu dem Sauerstoffloch, wenn in der Elbe oberhalb von Geesthacht besonders viele Algen wachsen. Diese profitieren von den vielen Nährstoffen, die von den Äckern in den Strom gewaschen werden. Steigt die Wassertemperatur, explodiert die Algenpopulation. Geraten die Algen ab Hamburg ins tiefe Wasser, sterben sie mangels Licht ab und werden von Bakterien abgebaut. Dazu ist Sauerstoff nötig.
Der BUND macht zudem das „durch die letzte Elbvertiefung dramatisch geschwächte Ökosystem der Tideelbe“ für den Sauerstoffmangel verantwortlich. Seit 1999, also mit dem Fahrrinnenausbau, ist die Zahl der Tage mit weniger als drei Milligramm Sauerstoff am Seemannshöft stark angestiegen. „Dass die Sauerstoffwerte bereits bei Wassertemperaturen um 20 Grad einbrechen, ist ein klarer Beleg für den gestörten Zustand der Elbe“, sagt BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch. Für den Sprecher der Umweltbehörde, Volker Dumann, reichen die wenigen Vergleichsjahre nicht, um das zu belegen: „Man kann zwischen den geringen Sauerstoffwerten und der Elbvertiefung keinen statistischen Zusammenhang nachweisen“, sagt er.
Dumann zufolge enthielt die Elbe gestern früh bei Bunthaus oberhalb der Stadt 8,3 Milligramm Sauerstoff, am Seemannshöft 2,2 und bei Blankenese 1,8 Milligramm. Die Wassertemperaturen entsprächen mit etwas mehr als 20 Grad denen der vergangenen Jahre.
Derart niedrige Sauerstoffwerte seien für diese Jahreszeit und Wassertemperatur ungewöhnlich, sagt der Elbfischer Eberhard Rübke. „Dieses Jahr ist alles durcheinander“, berichtet er. Ganz wenige Aale habe er im Mai gefangen, dafür aber zentnerweise die seltenen Finten. Zurzeit landeten viele Zander und Kaulbarsche in seinen Netzen bei Neßsand. Bis zu 50 Prozent der Zander seien dann bereits tot und auch sehr viele Kaulbarsche. Die Barsche landeten allerdings auch bei höheren Sauerstoffgehalten tot auf dem Boot, vermutlich weil sie sich im Netz durch ihren Schleim gegenseitig erstickten.
Der BUND vermutet, dass die nächste Elbvertiefung das Sauerstoffloch vergrößern wird. „Die Dimension des neuen Eingriffs zeigt sich allein schon bei der Baggermenge“, sagt Braasch. Wurden 1999 noch rund 13 Millionen Kubikmeter Sediment bewegt, sollen es beim nächsten Mal mehr als 38 Millionen sein.
Verschärft werde das Sauerstoffloch durch das von Vattenfall geplante Kohlekraftwerk in Moorburg. Der Stromversorger hat beantragt, bis zu 230.000 Kubikmeter Elbewasser pro Stunde als Kühlwasser und für den Betrieb einer Rauchgasentschwefelungsanlage abzweigen zu dürfen. Wenn im Sommer wenig Wasser den Strom herunterkomme, entspreche diese Menge einem Fünftel des gesamten Elbewassers, hat der BUND errechnet. „Wenn der Senat genehmigt, dass jährlich mehr als 200.000 Kubikmeter 31 Grad warmen Wassers in die Süderelbe eingeleitet werden, kann er sich von einer ökologischen Verbesserung der Elbe verabschieden“, sagt Braasch.