Reddelich meldet: Weiter so!

Besuch im G-8-Camp: Die Basis führt die Debatte über den Schwarzen Block – und solidarisiert sich mit den Autonomen. Und die Gipfel-Gegner bauen Schutzzäune – als stünde die polizeiliche Stürmung des Zeltlagers kurz bevor

AUS REDDELICH HEIKE HAARHOFF

Oben auf dem Hügel, wo das Camp der G-8-Kritiker von Reddelich endet und der Blick auf die angrenzende Eigenheimsiedlung unverstellt ist, steht ein Mann. In der rechten Hand hält er eine Axt, in der linken eine Holzlatte. Er sagt, er baue einen Zaun: „Der soll die Cops hindern, das Camp zu stürmen.“ Der Mann hat braune Augen und eine junge Stimme. Der Rest seines Körpers ist schwarz vermummt, sogar der Mund ist verhüllt.

Bevor er weiterredet, lässt er sich den Presseausweis zeigen. Eingehend studiert er Namen, Adresse, Unterschrift. Wer er ist, woher er kommt, was er politisch will – er verweigert die Antwort. Nur so viel: Zu den „Interventionisten“ gehöre er, und die Demonstration in Rostock am Samstag sei „sehr gut“ gewesen, Steinewerfen und bald 1.000 Verletzte inklusive. „Die Bullen waren halt unverhältnismäßig aggressiv“, sagt er schulterzuckend und baut weiter an seiner Barrikade.

Der Mann kann derlei unwidersprochen sagen. Im Camp von Reddelich, wo etwa 3.000 Gipfelkritiker zelten, tobt keine Debatte um den Umgang mit autonomer Gewalt. Anders als in den Spitzengremien der globalisierungskritischen Organisationen wurden hier an der Basis die Diskussionen schnell beendet, wie und ob man sich abgrenzen müsse von denjenigen, die am Samstag einen friedlichen, inhaltsreichen Protest zerstörten.

Wer sich in Reddelich umhört, findet kaum selbstkritische Stimmen, die beklagen, man habe möglicherweise mit den falschen Leuten paktiert. „Man weiß doch, worauf man sich einlässt, wenn man zu so einer Demo geht“, sagt ein nachsichtig nasengepiercter Mann, der sich dem „Barrio der Anarchisten“ zuordnet. So als seien diejenigen naiv, die jetzt wütend daran erinnern, dass es Zusagen zur Gewaltfreiheit gab. Auch unter politisch gemäßigten Campern gibt es Verständnis. „Von mir kriegen Sie keinen Aufruf zur Entsolidarisierung“, sagt der 36-jährige Utz, der im bürgerlichen Leben in Hannover mit ökologischen Dämmstoffen arbeitet. Toll sei es zwar nicht gewesen, dass sein sechsjähriger Sohn nun den Krawall miterlebt habe. Aber deswegen gleich alte Feindbilder über Bord werfen? „Vielleicht hat ja die Polizei mit den Provokationen angefangen.“

„Natürlich ist da Enttäuschung“, sagt die 24-jährige Theologiestudentin Friederike aus Münster. „Ich stand mittendrin, als die Steine flogen. Das ist ziellose Gewalt gegen Menschen.“ Aber jetzt das Bündnis aufkündigen? „Wir können nicht auf die Antifa verzichten.“ Und: „In dem Moment, wo man Leute ausschließt, hat man ein Problem.“

Dass umgekehrt viele Autonome sich so verhalten –Totalverweigerung, Nichtrespektierung des Mehrheitswillens – Friederike guckt aus lieben Augen und nimmt es hin. Beim abendlichen Plenum geht es dann doch um Gewalt – um virtuelle und von außen gegen das Camp gerichtete Gewalt. „Wie verteidigen wir das Camp gegen die Bullen?“ Die Frau mit den blonden, langen Haaren richtet ihre Frage an die rund 200 Versammelten. Als stehe die Stürmung des Zeltlagers durch die Polizei unmittelbar bevor. „Soll es Schutzzonen geben? Setzen wir, wenn es eskaliert, ausschließlich auf Gewaltfreiheit?“ Die Runde ist unentschieden. Es folgen Tipps zum Verhalten bei Einsatz von Tränengas und Pfefferspray.

Ein Mann mit Irokesenschnitt wendet ein, er würde lieber noch mal über Rostock sprechen: „Ich finde es doof, wenn Leute aus hinteren Reihen auf andere vorne Steine schmeißen und wir nichts machen“, sagt er. Eine Dunkelhaarige würgt ihn schnell ab: „Das haben wir schon hundertmal diskutiert, da kriegen wir keinen Konsens.“ Zunächst müsse es darum gehen, alle im Camp zu schützen. Ungeachtet „ihrer Präferenz, was bestimmte Aktionsformen angeht“.