ZWISCHEN DEN RILLEN
: Das Paradies birgt keinen Star

Dan Bodan: „Soft“ (DFA/Infectious/Cooperative Music/PIAS)

Ein bisschen Milchbubi, ein wenig schüchterner Teenie und eine Prise Smart Ass – Dan Bodan posiert für ein Foto in die Kamera, und so recht weiß man nicht, wer dieser schmächtige, hohlwangige Junge in pink-rosa Batikjeans, glitzernder Polyester-Jacke und einem Dunkin’-Donuts-Kaffeebecher vor sich sein soll.

Als ihren „heartthrob“, ihren Schwarm, bezeichneten die Macher vom New Yorker Discopunk-Label DFA-Records Dan Bodan, als sie 2012 Bodans Emo-Softpop-Hits „Aaron“ und „DP“ als Single veröffentlichten. Beides sind sehnsüchtelnde Befindlichkeitssongs, unterwandert von einer dicken Portion Selbstironie. „Soft“ heißt nun das erste reguläre Album des Sängers und Produzenten, wieder erschienen bei DFA. Darauf finden sich Elemente von R&B, HipHop und Jazz, ja selbst Noise. Nur ist Dan Bodans Musik eben – ganz dem Titel nach – zu superweichem Elektropop vermengt, der so buttrig zerfließt wie das dahinschmelzende Mangagesicht auf dem Albumcover. Bodan singt auf allen Songs wunderbar: Warm, soulig und voluminös ist seine Stimme. Impulsiv kann Bodan zwischen den Tonlagen springen, sanft- oder rautönig bewegt er sich in den Melodien.

Der süße Dan ist ein souveräner Sänger. Und als solcher besingt er auf „Soft“ eine musikalische Landschaft, die sich über seinen Heimatort Montréal in Kanada, über New York bis zum grauen Horizont Berlins erstreckt, wo er seit acht Jahren lebt. Ein Jazzsong ist auch dabei: Bei „Let’s Fall in Love“ klingt Bodan geschmeidig wie einst Ella Fitzgerald, begleitet nur von Gitarre und einem Klavier.

Manieriert zieht er seine Stimme in die Höhe, lässt sie wieder chromatisch sinken oder auf einer Septime enden, wie es die Jazz-Ikone auch machte. Doch die große Geste löst sich im Laufe des Songs auf, selbstbewusst verfehlt Bodan Töne, ein verschwommenes Posaunensolo erklingt im Hintergrund. „Let’s fall in love for Heaven’s sake“ lautet die Refrainzeile vollständig.

„Soft“ ist ein musikalisches Spiel mit Widersprüchen. Das macht die Musik so herrlich ironisch. Denn Bodens Elektropop ist ins Slicke überspannt. „Jaws of Life“ hat er im Stil der späten Achtziger aus verschleppten Keyboards und einem glatten Schnipps-Groove gebaut, dazu ein überschwängliches Saxofon-Solo, wie man es auch bei einem George Michael finden würde.

Bodans Songaufbau entspricht der Klangphilosophie im Hitradio: Intro, Strophe, exaltierter Refrain, Fade-out. Experimentelle Passagen bringen jedoch eine Dissonanz in diesen mittigen Sound. „Jaws of Life“ etwa endet in einem wilden Saxofonspiel. „Catching fire“ klingt düster. Erst haucht Bodan, dann ruft er über einem rummenden Bass, und ein schwerer, blecherner Rhythmus sowie sphärische Synthiemelodien brechen die Hookline des Songs auf.

Wattebauschig sanfte Keyboards, zuckrige, flirrende Patterns und flauschiger Bass – so klingt „Soft as Rain“, der Hit aus Bodans Album. Im dazugehörigen Video fährt eine Kamera langsam über eine behaarte, schmächtige Männerbrust. „You fall on me soft as rain, when I am holding you“, heißt es im Refrain.

Körper, die wie Regen fallen und sich halten – die Aneinanderreihung romantischer Reizwörter klingt schmalzig, ist aber ziemlich sinnfrei. Abgewandelt singt er später weiter: „I fall on you soft as rain when I am holding you / And wash out these feelings.“ Wie Weichspüler fließt dieser Kitsch schließlich ins Nüchterne. Sentimentalität und selbstironische Abgeklärtheit, dieses Missverhältnis legt Dan Bodan in die Rhetorik seiner Texte. „This paradise“, singt er mit langsamem Vibrato an anderer Stelle und fügt hinzu: „This paradise can’t see a star.“ „Meine Musik sollte wie ein Schlüsselroman sein“, kommentiert er, „als würdest du das Tagebuch deiner älteren Schwester lesen“. SOPHIE JUNG

■ Live: 1. November, „Berghain Kantine“, Berlin