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Archiv-Artikel

Weniger wäre mehr gewesen

BESTSELLERVERFILMUNG Der französisch-vietnamesische Regisseur Tran Anh Hung hat Haruki Murakamis Roman „Naokos Lächeln“ auf die Leinwand gebracht, leider etwas zu schön

Und trotzdem: Die in Kitsch kippenden, schwermütigen Bilder, in Kombination mit dem raffinierten Soundtrack, führen dazu, dass man die halbe Nacht von diesem Film träumt

VON SUSANNE MESSMER

Die Verfilmung eines Lieblingsbuches, das man schon so oft gelesen und verliehen hat, dass sich der Buchdeckel wellt? Der Film eines Regisseurs, der in den Neunzigern mit seinen Filmen „Der Duft der grünen Papaya“ und „Cyclo“ auf Festivals Preise gewann, als der Siegeszug des asiatischen Kinos mit seinen langsamen Kamerafahrten und seinen schönen Bildern kaum begonnen hatte – eines Regisseurs, der aber 15 Jahre später immer noch auf langsame Kamera und schöne Bilder setzt?

Zweifel genug, sich ehrlich vor der Premiere eines Filmes zu fürchten. Und wirklich bestätigt „Naokos Lächeln“, die Verfilmung des Bestellers vom kultisch verehrten japanischen Autor Haruki Murakami durch den französisch-vietnamesischen Regisseur Tran Anh Hung beim ersten Hinsehen alle Befürchtungen. Lakonisch zu sein, ohne dabei vage zu werden: Dies gelingt Filmen noch seltener als Büchern. Der Film „Naokos Lächeln“ ist einfach zu schön, die hübschen Gesichter, das modische Zeitkolorit und die stimmig dekorierten Interieurs verhindern eher, dass man in die Figuren, um die es hier geht, eintaucht.

Erzählt wird die Geschichte Torus und Naokos, die, noch Teenager, den Tod ihres Freundes Kizuki nicht verkraften können. Sie gehen getrennt nach Tokio, treffen sich zufällig wieder und fangen zunächst einmal an, in atemberaubendem Tempo und ohne miteinander zu sprechen gemeinsam spazieren zu gehen. An Naokos 20. Geburtstag kommt es zum Gefühlsausbruch, Naoko, die übrigens an dieser Stelle im Buch lautlos weint, schluchzt im Film so heftig auf, als sei sie auf einer Theaterbühne. Dann haben Naoko und Toru Sex. Schließlich verschwindet Naoko. Sie beginnt Briefe zu schreiben, erst als Toru verzweifelt versucht, mit diversen Jobs und lustigeren Mädchen ins Leben zurückzufinden. Naoko hat beschlossen, in einer psychiatrischen Klinik in den Bergen professionelle Hilfe anzunehmen. Toru, längst unendlich verliebt, fährt sofort zu ihr, raus aus der Stadt, hinein in die nackte Natur.

Es ist genau an dieser Stelle nach dem ersten Drittel des Filmes, wo man als Zuschauer plötzlich doch ins Rudern gerät. Nein, wogende Gräser und fliegendes Haar sind nicht gerade brandneue Metaphern dafür, dass Helden gerade aufgewühlt sind. Nein, es ist nicht besonders originell, die Landschaft verschneit zu zeigen, wenn die Heldin sich als frigide offenbart. Und trotzdem: Die Künstlichkeit, die in Kitsch kippenden, schwermütigen Bilder, in Kombination mit dem raffinierten Soundtrack des Radiohead-Gitarristen Jonny Greenwood, führen dazu, dass man die halbe Nacht von diesem Film träumt – und mit ihm, einmal wieder, von dieser Story.

„Naokos Lächeln“ ist eine wunderschöne, erschütternde Dreiecksgeschichte, die viel über den nostalgischen Blick auf Leichtigkeit und Jungsein, aber auch über Melancholie und Erwachsenwerden, Verlust, Schmerz, Tod und nicht zuletzt über eine total verunsicherte, weiche, ja eigenschaftslose Männlichkeit erzählt, die wirkt, als hätte sie sich in den Träumen der starken, eigensinnigen Frauen verirrt, die sie liebt. Dies alles transportiert selbst noch eine halbgute Verfilmung wie die von Tran Anh Hung.

■ „Naokos Lächeln“. Regie: Tran Anh Hung. Mit Matsuyama Kenichi, Kikuchi Rinko u. a. Japan 2011, 133 Min.