: Sternmarsch bleibt verboten
Verfassungsgericht kritisiert aber das ursprüngliche Demonstrationsverbot. Neue Gewalttätigkeiten befürchtet
FREIBURG taz ■ Der für heute geplante Sternmarsch der G-8-Gegner auf Heiligendamm bleibt verboten. Dies entschied gestern das Bundesverfassungsgericht in einer widersprüchlichen Entscheidung.
Zunächst wird manche Rechtfertigung des Demonstrationsverbots durch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald von den obersten Richtern kritisiert. „Empfindlichkeiten ausländischer Politiker“ können keine Einschränkung der Versammlungsfreiheit rechtfertigen. „Der verfassungsrechtliche Schutz von Machtkritik ist nicht auf Kritik an inländischen Machtträgern beschränkt.“ Eingriffe in die Versammlungsfreiheit seien nur zum Schutz des Gipfels und der Gipfelgäste gerechtfertigt. Das konkrete Schutzkonzept sei allerdings „bedenklich“. Die weiträumigen Sicherheitszonen hätten das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit missachtet. Das vom Grundgesetz geschützte Interesse der Veranstalter, möglichst nahe am Tagungsort oder am Sperrzaun zu demonstrieren, sei ignoriert worden.
Die Richter halten aber dennoch keine einstweilige Anordnung zu Gunsten des Sternmarsches für geboten. Denn die Ausschreitungen in Rostock machten eine neue Gefahrenprognose erforderlich. Die Annahme, der Sternmarsch werde im Wesentlichen friedlich verlaufen, sei erschüttert. Die „auf über 2.000 geschätzten gewaltbereiten Personen“ seien nicht abgereist, sondern seien weiter zu Gewalttätigkeiten bereit.
Die Richter betonen zwar, dass der Schutz einer Versammlung auch dann besteht, wenn nur eine Minderheit Ausschreitungen beabsichtigt. Diesen Gedanken aus dem Brokdorf-Urteil von 1985 führen sie aber nicht zu Ende, sondern stellen nur fest, dass die Veranstalter kein hinreichendes Konzept gegen gewalttätige Auseinandersetzungen vorgelegt hätten. Eine Kundgebung gegen den G-8-Gipfel sei im Übrigen außerhalb der Verbotszone, „aber nicht ohne jeden Bezug“ zum Gipfelort möglich.
Rechtsanwältin Ulrike Donat, die den Beschluss erwirkt hat, bezeichnete die Entscheidung als eine „Ohrfeige“ für die Gipfelpolizei Kavala und das OVG Greifswald. „Die Ereignisse haben das Recht ohne- hin überholt“, so Donat mit Blick auf die gestrigen Ereignisse, „denn das Volk erobert – wie immer in der Geschichte – die Versammlungsfreiheit gerade auf der Straße.“
CHRISTIAN RATH