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Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Zusammenhänge genau benennen

■ betr.: „Der Zwang, sich zu entscheiden“, taz vom 29. 6. 11

Ich bin beim Lesen des Kommentars von Steffi Dobmeier zur Neuregelung der Organspende (der mir sehr gut gefällt) über den folgenden Satz gestolpert: „Im Schnitt sterben pro Tag drei Menschen, weil sie auf ein Organ warten, das ihr geschädigtes ersetzt.“ Das ist eine etwas verkürzte und ungenaue Darstellung der Situation und könnte angesichts des emotional aufgeladenen Themas leicht missverstanden werden. Diese Menschen sterben nicht, weil sie auf ein Organ warten, sondern während sie auf ein Organ warten, das ihr eigenes geschädigtes ersetzen könnte und mit dessen Hilfe – dank der Transplantationsmedizin – ihr Leben gerettet und verlängert werden könnte. Wenn sie während der „Wartezeit“ sterben, dann sterben sie in erster Linie an den Folgen ihrer unheilbaren Erkrankung. Und natürlich wächst mit der Anzahl der (potenziell) zur Verfügung stehenden Spenderorgane die Chance für jede(n) Einzelne(n), während der „Wartezeit“ nicht zu sterben.

Deshalb halte ich es für absolut notwendig, dass sich möglichst viele Menschen mit dieser Problematik aktiv und kritisch auseinandersetzen und eine breite öffentliche Diskussion dazu in Gang gesetzt wird, auch durch die taz.

Wie man das Interesse der Öffentlichkeit wecken kann, sich freiwillig mit diesem aufwühlenden Thema zu befassen, ist eine andere wichtige Frage. Aber ich plädiere dafür, die Zusammenhänge, die sehr komplex sind, so genau wie möglich zu benennen. Dabei ist ein achtsamer Umgang mit der Sprache vonnöten. Erstens um zu vermeiden, dass durch missverständliche Formulierungen der Eindruck entsteht (so wie bei mir), dass es so was wie eine „kollektive oder individuelle Mitschuld“ am Tod eines Menschen gibt. Das träfe ungut auf das bei vielen Menschen bestehende Unbehagen in der Diskussion zur Neuregelung der Organspende. Zweitens bildet und schärft sich das Bewusstsein der Menschen für dieses heikle Thema auch durch die Sprachregelung, mit der darüber gesprochen und berichtet wird. Und ich wünsche mir in der taz eine differenzierte, kontroverse und von Respekt und Achtsamkeit geprägte Debatte. Die Beiträge von Steffi Dobmeier sind ein guter Anfang!

BIRGITTA MOLZER, Berlin

Es herrscht haarsträubendes Unwissen

■ betr.: „Eine Hilfskonstruktion“, taz vom 30. 6. 11

Rolf Alterauge hat natürlich recht, wenn er in seinem Leserbrief darauf hinweist, dass „der Hirntod nicht den Tod des Menschen im Sinne unserer jahrtausendealten kulturellen Tradition darstellt“, denn: Das Problem „Hirntod“ stellt sich ausschließlich in der Umgebung moderner apparativer Intensivmedizin, ist somit eine „Errungenschaft“ des 20. Jahrhunderts. Ohne diese wäre der betreffende hirntote Mensch längst für alle Beteiligten/Angehörigen sichtbar verstorben, weil er schlicht das Atmen eingestellt hätte und das Herz mangels Sauerstoffversorgung aufgehört hätte zu schlagen. Und dies weit vor dem Zeitpunkt, zu dem man – bei einem künstlich beatmeten und intensivmedizinisch behandelten Menschen – über eine Hirntoddiagnostik überhaupt nur nachdenken dürfte! Den Hirntod als eine „Hilfskonstruktion zur Vermeidung juristischer Sanktionen zu Lasten der explantierenden Ärzte“ zu bezeichnen, zeugt letztlich von haarsträubendem Unwissen, sodass der Forderung Herrn Alterauges nach einer umfassenderen Berichterstattung über dieses Thema nur nachdrücklich zugestimmt werden kann!

KLAUS LEIMKÜHLER, Bielefeld

Zu weit entfernt

■ betr.: „Deutschland fast voll öko“, taz vom 29. 6. 11

Wenn alles so dezentral läuft, wie ihr andeutet, und die Kommunen, Stadtwerke und die BürgerInnen mitmachen, warum soll das dann noch bis 2050 dauern? Das muss doch früher gehen; denn die Anlagen für die Erneuerbaren können doch gleichzeitig jetzt schon errichtet werden, wenn der politische Wille vorhanden ist. Die Grünen Hessen schreiben in ihrem Szenario 2030. Auch dies ist viel zu weit entfernt.

Wenn 2015 der Atomausstieg laut Greenpeace möglich ist, so kann 2020 ein realistisches Vollöko mit Erneuerbaren möglich sein. Wir älteren AKW-Gegner – ich bin seit 35 Jahren in der Anti-Atom-Bewegung – wollen das noch erleben!

ELMAR DIEZ, Hanau

Zukunftsausblick

■ betr: „Sekt oder Selters“, taz vom 30. 6. 11

Dem Zukunftsausblick von Ingo Arzt soll hier ein nicht ganz so optimistisches Szenario entgegengesetzt werden: Der Gewinner des Ausstiegsbeschlusses heißt Jürgen Großmann, denn die vier großen Stromkonzerne können weiterhin sorgenfrei und risikolos an ihren Schrottreaktoren verdienen.

Der Ausbau erneuerbarer Energien wird abgebremst und auf Großprojekte von RWE und Co beschränkt. 2015 wird dann das letzte Photovoltaikwerk in Deutschland abgeschaltet. Die Bundestagswahl 2017 gewinnt die CDU deutlich mit einer Stromausfall-Angstkampagne. Spätestens dann muss über eine Laufzeitverlängerung ernsthaft nachgedacht werden.

FRANK SCHNIEDER, Osnabrück