achse der re-issues von thomas winkler
Philosophischer Pop

Prefab Sprout waren, als „Steve McQueen“ 1985 erschien, eine von vielen hoffnungsvollen britischen Bands, die an der Renaissance von Pop arbeiteten. Die von Thomas Dolby für diese Neuauflage vorsichtig remasterten Songs sind allesamt Perlen, deren politische Botschaft nur oberflächlich im Text lag, vor allem aber im Sound zu finden ist. Der ist transparent und üppig, euphorisch und melancholisch, nostalgisch und modern. Dazu singt Paddy McAloon so altklug wie jugendlich forsch und trug Punk endgültig zu Grabe: Denn damals, unter dem Eindruck strukturalistischer Philosophen, dachte man ganz im Ernst: Wenn man nur die richtige Musik hört, kommt die Revolution übermorgen bestimmt. Und morgen kriegt man erst mal das Mädchen. Übermorgen wurde dann verschlafen, aber übrig geblieben ist immerhin das Mädchen und dieses perfekte Album, die denkbar respektvollste Annäherung eines weißen Briten an schwarze Musik. So gut klang blue-eyed Soul nie wieder, nicht einmal bei Paddy McAloon selbst. Der hat für die zweite, ergänzende CD dieser sorgsamen Wiederveröffentlichung akustische Versionen von acht der elf Songs des Albums eingespielt. Die fügen den Originalen nur selten Neues hinzu: Es wird zwar noch offensichtlicher, um welch grandioses Songwriting es sich handelt. Doch meist vermisst man die schiere Überwältigung durch einen watteweichen Sound, der das Glück auf Erden verspricht.

Prefab Sprout: „Steve McQueen“ (SonyBMG)

Vollbärtiger Rock

Punk hatte nicht nur Pop für eine kurze Zeit unmöglich gemacht, sondern vor allem Heavy Metal. Aus irgendeinem nebulösen Grund allerdings waren Blue Öyster Cult noch am ehesten erlaubt. Womöglich lag es daran, dass sie von vornherein auf das damals bei Metal-Sängern sonst übliche Kastratengeschreie verzichtet hatten. Womöglich aber auch nur an dem schicken „Ö“ im Namen, das eine ganze Umlauttradition im Metal beginnen sollte. Im Jahr 1978 war die New Yorker Band auf der Höhe ihres Schaffens, trotzdem war damals und ist heute ein ganzes BÖC-Studio-Album nur schwer zu ertragen. Aber „Some Enchanted Evening“, ihre beste von insgesamt vier Live-Platten, versammelt nahezu alle Hits, also vor allem „(Don’t Fear) The Reaper“, „Godzilla“ und „We Gotta Get Out Of This Place“. Außerdem im Angebot: Coverversionen von „Kick Out The Jams“ von MC5 und – als Bonustrack – des mit jedem abgelaufenen Jahrzehnt lächerlicher werdenden „Born To Be Wild“. BÖC waren aber bauernschlau genug, das schon damals zu erkennen: Ihre Interpretation lässt sich ein auf den Schweinerock des Steppenwolf-Originals, aber arbeitet auch dessen falsches Pathos zielgenau heraus. Grundsätzlich bleibt an dieser Wiederveröffentlichung erstaunlich, wie wenig Blue Öyster Cult zur Karikatur ihrer selbst verkommen sind – selbst auf der beiliegenden DVD, die ein Konzert von 1979 dokumentiert, inklusive einer aus heutiger Sicht eher bescheidenen Laser-Show.

Blue Öyster Cult: „Some Enchanted Evening“ (Columbia/SonyBMG)

Vielversprechender Folk

Seiner Zeit voraus zu sein, das ist im Popgeschäft ein eher alltäglicher Unglücksfall. Lou Barlow muss einem deshalb nicht leid tun: Als Bassist von Dinosaur Jr. versilbert er momentan zumindest einen Teil vergangenen Ruhms, und sein Zusammenwirken mit Eric Gaffney als Sebadoh erfährt aktuell eine nahezu kanonische Aufarbeitung. Im vergangenen Jahr wurde mit „III“ das Album wieder veröffentlicht, mit dem Sebadoh das Lo-Fi-Genre zu mittelprächtiger Prominenz führten. Nun werden mit „The Freed Man“ die Anfänge erforscht. Das Original erschien 1988 als selbst kopierte Kassette und wurde in den Plattenläden von Barlows und Gaffneys Heimatstädtchen Amherst, Massachusetts, für einen Dollar pro Stück verkauft. So hört sich das Ganze auch an: Auf einem Vier-Spur-Rekorder aufgenommen, beständig hin und her springend zwischen Folk und Lärm, Rauschen und Hörspiel. 31 Songs hatte bereits das 1989 auch als Vinyl veröffentlichte Original, 52 Songs sogar – dank einiger zusätzlich aufgenommener EPs – dieses Re-Issue: Sie alle brechen unvermittelt ab oder beginnen erst gar nicht, sprudeln vor Ideen, guten wie schlechten. Man könnte auch sagen, jedes Stück klingt wie ein uneingelöstes Versprechen. „The Freed Man“ beweist auch, dass Sebadoh den Nu-, Weird-, Strange- oder Wieauchimmer-Folk mal locker ein Vierteljahrhundert vorweggenommen hatten. Aber, wie gesagt, das passiert in dem Geschäft ständig.

Sebadoh: „The Freed Man“ (Domino/Rough Trade)