Eine Mütze gegen das Verbrechen

MODE Abseits der Fashion Week gibt es stille Modeklassiker, die einfach begeistern. Wie „La Coppola“, die es nun in Berlin zweimal gibt

Wie Rainald Grebe singt, Berlin ist nicht Brandenburg. In Berlin, da schneit dann eben mal Janet Jackson in den Laden rein, in der Kleinen Hamburger Straße 3, und ersteht dort drei Versionen der La Coppola genannten sizilianischen Schiebermütze.

Ein paar Stunden zuvor war ich dort gewesen, um Johann Jörg zu treffen, den Bühnen- und Kostümbildner, den eine Zeitungsnotiz vor drei Jahren auf die Idee gebracht hatte, doch mal nach Italien zu fahren und dort den Stiefel ganz runter bis hinter Palermo nach San Giuseppe Jato, einem berüchtigten Mafia-Nest. Dort nämlich rettete sich Guido Agnelle, Spross einer sizilianischen Textildynastie, in Ironie, um den wirtschaftlichen und kulturellen Aufbruch Siziliens gegen Korruption und das organisierte Verbrechen weiter voranzutreiben: Er verwandelte das Markenzeichen der Mafiosi, die Schiebermütze, in ein Symbol des Widerstands.

Das interessierte Johann Jörg, und so stand er dann also in einem ehemaligen Kino sieben Frauen gegenüber, die bislang in San Guiseppe Jato von legaler Arbeit nur träumen konnten und die nun plötzlich diese, Coppola genannte, Mütze fertigten. Ihre Ursprünge liegen in Großbritannien.

Dort war sie Ende des 19. Jahrhunderts zunächst eine praktische Kopfbedeckung der Arbeiter, bis sie dann von den frisch geborenen Automobilisten entdeckt wurde. Denn die Schiebermütze blieb auch bei starkem Fahrtwind auf dem Kopf, während ihr kleiner Schirm die Augen vor der Sonne schützte. Fortan galt die „drivers cap“ als die Quintessenz der modernen Mützenform. Sie machte Karriere, nicht zuletzt, weil selbst das zarteste Bubigesicht durch sie etwa Maskulines und Kompaktes erhält.

Diesen Aspekt allerdings dekonstruiert, wie man heute gerne sagt, La Coppola Storta – Made in Sicily. Denn sie wird in allen nur denkbaren Stoffmustern und Farben, darunter gerne üppigen floralen und bunten Karo-Designs angefertigt. Die alten „Coppolari“, wie die Mützenmacher der Insel hießen, hatten da nur braune und schwarze Stoffe zur Auswahl.

Seit den 1930er Jahren, als die Schiebermütze auf Sizilien Furore machte, empfingen sie in der Werkstatt ihre Kunden, bis sie zuletzt mehr und mehr ausblieben. Dafür kamen die Frauen, um von ihnen die Technik des Mützenmachens zu lernen und die alten Schnittmuster zu retten. Auf diesen alten Vorlagen, der Pirandello und der Meusa basieren die heutigen Versionen. Zuschnitt, Zusammennähen der einzelnen Teile, das diffizile Einsetzen des Futters, das alles geschieht in Handarbeit.

Was er sah, überzeugte also Johann Jörg, zumal nicht nur die Manufaktur in Frauenhänden lag, sondern auch das kreative und operative Geschäft von drei Frauen geleistet wird. Allen voran Tindara Agnello, die Tochter von Guido Agnello, die die Design-Linie bestimmt. Diese scharfen Teile mussten doch, dachte Jörg, in Berlin jederzeit an den Mann oder die Frau zu bringen sein. Und tatsächlich, gerade hat er nach dem Laden in der Kleinen Hamburger Straße einen zweiten in der Marburger Straße 6 in Charlottenburg, nahe Ku’damm, eröffnet.

Aber nicht nur Johann Jörg machte sich auf den Weg zu La Coppola Storta, auch Amnesty International interessierte die Firma. Daher gibt es nun, anlässlich des 50. Geburtstags der internationalen Menschenrechtsorganisation, die „Coppola-Amnesty“.

Eine limitierte Auflage von drei verschiedenen Versionen der Coppola, die das AI-Logo im Futter hat. Mit ihrem Kauf finanziert man die Kampagne „Demand Dignity – Maternal Mortality“ gegen Müttersterblichkeit mit. Was kann man schon mehr wollen, als schön und gut zugleich zu sein? Meint auch Janet Jackson. BRIGITTE WERNEBURG