: Pflege für die Wohnmaschine
Weil es im Hansa-Viertel zu eng war wurde das „Corbusierhaus“ am Olympiastadion errichtet. Dort feiert es wie das Hansa-Viertel 50. Geburtstag samt Denkmalpflegeplan für behutsame Erneuerung
VON JANA PETERS
Im Hansa-Viertel war kein Platz mehr. Der Entwurf, den der Architekt Le Corbusier für die „Interbau Berlin“ 1957 lieferte, sprengte einfach den Rahmen des Viertels am Tiergarten. Da man bei der Planung des modernen Westberlin – als Gegensatz zur Ostberliner Stalinallee – aber auf den Star aus der Schweiz, der zu den bedeutendsten Architekten im 20. Jahrhunderts gehörte, nicht verzichten wollte, bot man ihm ein Gelände in der Nähe des Olympiastadions, an der Flatowallee, an.
Le Corbusiers Berliner „Wohnmaschine“ ist eines von drei Bauwerken, die zur Interbau nicht im Hansa-Viertel realisiert wurden. Neben dem Corbusierhaus lagen auch die Kongresshalle und die Hansa-Schule außerhalb des Ausstellungsareals, das 2007 seinen 50. Geburtstag feiert.
Am Olympiastadion entstand die bekannte Hochhausscheibe: sachlich, modern, funktional. In 17 Etagen brachte Le Corbusier 1.600 Menschen unter. Es wurde ein riesiges Haus, das vor allem als Ort für Familien gedacht war, welche die interne Infrastruktur – wie Läden – nutzen und sich durch den Kindergarten und ein Theater im Haus kennen lernen sollten.
Eine, die noch erlebt hat wie es damals zuging, ist die heute 80-jährige Ingeburg Krause. Als sie in Jahr 1958 einzog, war sie „überglücklich“ und daran hat sich bis heute nichts geändert. „Früher wohnten hier viele Künstlerfamilien. Über die Kinder haben wir uns alle schnell kennengelernt und sich gegenseitig eingeladen oder geholfen. Hier wurden irrsinnige Feste gefeiert“, sagt Krause.
Seit damals hat sich viel im Haus verändert. Von den vielen Läden im ersten Obergeschoss ist nur noch ein einziger Kiosk übrig geblieben. Auch die Mieter haben gewechselt. 1979 wurden die Sozial- in Eigentumswohnungen umgewandelt.
Heute wohnen weniger Familien, dafür mehr Singles im Haus. Auch die Mischung ist internationaler geworden. Dazu trägt auch Krause ihren Teil bei. Seitdem ihre Kinder aus dem Haus sind, vermietet sie eines ihrer Zimmer an ausländische Studenten.
Die meisten, die in der Wohnmaschine eine Wohnung kauften, taten das aus Überzeugung. Michael von Rein, der dort Hausmeister ist, kann das bestätigen: „Die Leute sind ganz verrückt danach.“ Auf Initiative der Bewohner wurde das Haus 1996 auf die Denkmalschutzliste gesetzt – was auch Konflikte mit sich bringt. „Die Bewohner sind sehr daran interessiert, dass das Haus im Sinne Le Corbusiers erhalten bleibt“, meint Dieter Heyne von der Verwaltung der Eigentümergemeinschaft. Sanierungen und Modernisierungen sind allerdings trotzdem nötig. „Niemand möchte heute ein Badezimmer oder Küchenmöbel von 1957 haben“, so Heyne. Deshalb gibt es jetzt einen „Denkmalpflegeplan“, der mit den Bewohnern abgestimmt ist. Er legt zum Beispiel fest, aus welchem Holz die Fenster sein müssen oder dass die Markisen klein und grau sein sollen. Gerade wegen der Markisen hatte es immer wieder Probleme gegeben, da diese die für das Corbusierhaus so typischen bunten Loggien an der Fassade überdecken. „Das heißt aber nicht, dass bereits vorhandene Markisen abgerissen werden müssen“, präzisiert Hans Roth, Vorsitzender des Fördervereins Corbusierhaus. „Wer sich aber eine neue Markise kauft, muss sich an die Vorgaben halten.“
Ingeburg Krause wird keine Probleme mit dem Denkmalpflegeplan bekommen. Ihre Maisonettewohnung im 16. Stock ist bis auf wenige Veränderungen noch im Originalzustand wie vor 50 Jahren erhalten. Sie reicht von der Ost- bis zur Westseite und hat zwei Balkone. Tritt man hinaus, versteht man sofort, was dran ist, am Corbusierhaus. Auf jedem Balkon hat man eine Sicht von 180 Grad über ganz Berlin und die umliegenden Wälder – die Wohnmaschine ist ein sonnendurchfluteter Rückzugsort mit Blick ins Grüne.