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Archiv-Artikel

die taz vor zwanzig jahren über den dritten wahlsieg von margaret thatcher

Rund 12,5 Millionen britische Staatsbürger haben sich mit ihrem Votum für Margaret Thatcher und für die endgültige Spaltung des Vereinigten Königreichs in Wohlstandsbürger und Überschußbevölkerung, in Profiteure und Unterversorgte ausgesprochen. Sie haben den Gedanken der kollektiven, staatlich garantierten Versorgung endgültig auf den Abfallhaufen der britischen Nachkriegsgeschichte geworfen und durch die vom Staat garantierten und honorierten Maximen der Profitorientierung, der Habgier und des Egoismus ersetzt. Sie haben sich für eine Gesellschaft ausgesprochen, in der Bildung und Gesundheit vom selbstverständlichen Bürgerrecht zur käuflichen Ware transformiert wird. Sie nehmen damit im Land der größten Energieressourcen an Öl, Kohle, Wind und Wellen den sinnlosen Ausbau der Atomenergie in Kauf, haben sich zur atomaren Aufrüstung überreden lassen, wo alle Welt in einer Abrüstungseuphorie schwelgt. Und sie haben sich nicht zuletzt für die Beibehaltung des antiquierten und zutiefst ungerechten Mehrheitswahlrechts entschieden, das eben diese Diktatur einer 40 prozentigen Minderheit über die 60 prozentige Mehrheit der Gegner dieser Regierung legitimiert.

Die nächsten fünf Jahre werden so die endgültige Etablierung des totalen Kapitalismus bringen, ergänzt durch eine minimalistische Version der ehemaligen Sozialstaatsidee. Es wird eine Gesellschaft sein, die glaubt, sich gleichzeitig vier Millionen Arbeitslose und einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften leisten zu können. Erst dann wird vielleicht auch ein Teil der 12,5 Millionen Thatcher-Treuen verstehen, daß ihre große Lehrmeisterin das Land nicht, wie jetzt versprochen „groß gemacht“, sondern ökonomisch zerstückelt, geographisch geteilt und sozial gespalten hat. Was danach nötig sein wird, ist nichts Geringeres als die Wiedervereinigung Großbritanniens.

Rolf Paasch in der taz am 13. 6. 1987