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Archiv-Artikel

Somalias endlose virtuelle Friedenskonferenz

Jeden Monat kündigt Somalias Regierung für die Monatsmitte eine „Nationale Versöhnungskonferenz“ an. Jeden Monat wird sie auf den nächsten Monat verschoben – so auch jetzt wieder. Das Geld dafür vom Ausland fließt trotzdem

NAIROBI taz ■ Mogadischus Straßen sind so schön wie lange nicht mehr. Zwischen den Ruinen der somalischen Hauptstadt schneiden Männer Hecken oder laden den seit Jahren aufgetürmten Müll auf altersschwache Lastwagen. Doch es geht nicht um Schönheit, sondern um Sicherheit: Bombenleger und Heckenschützen sollen keine Chance bekommen. Ein halbes Jahr, nachdem Truppen der somalischen Übergangsregierung an der Seite der äthiopischen Armee die Macht in Mogadischu übernahmen, werden immer noch fast täglich neue Anschläge islamistischer Untergrundkämpfer und neue Militäraktionen gemeldet. Von Versöhnung sind die Regierung und die Hawiye, der größte Clan in Mogadischu und Unterstützer der im Dezember verjagten „Union islamischer Gerichtshöfe“, weit entfernt.

Der Start einer „Nationalen Versöhnungskonferenz“, die das ändern soll, wurde gestern zum wiederholten Mal verschoben. Ursprünglich hätte sie Mitte April beginnen sollen, der neueste Starttermin war der heutige 14. Juni gewesen. „Das Versöhnungskomitee hat entschieden, die Konferenz wegen unerwarteter Umstände zu verschieben“, erklärte Cheforganisator Ali Mahdi, Expräsident und Ex-Warlord, in Mogadischu. Einige Clan-Chefs hätten um mehr Zeit bei der Auswahl der Delegierten gebeten, außerdem sei der Veranstaltungsort noch im Bau.

Selbst wenn Zelte und Hallen für die 1.300 Delegierten fertig wären – niemand in Somalia glaubt an den Kongress. Übergangspräsident Abdullahi Yusuf und Premier Ali Mohammed Ghedi waren nur unter EU-Druck dazu bereit. Ohne Versöhnungskonferenz keine Hilfsgelder, hatte EU-Entwicklungskommissar Louis Michel gesagt.

„Die Übergangsregierung zeigt bis heute nicht die Bereitschaft zur Einbeziehung aller Gruppen, die nötig wäre, um die Konferenz zum Erfolg zu führen“, kritisiert jetzt ein EU-Diplomat, der nicht namentlich genannt werden möchte. Vertreter der Islamisten etwa werden nicht eingeladen. Die Hawiye hatten bereits am Dienstag erklärt, sie würden nicht teilnehmen.

„Es ist falsch, die Teilnehmer entlang von Clanlinien auszuwählen“, so der Vorsitzende des Ältestenrats der Hawiye, Hadschi Abdi Iman. „Somalias Probleme haben mit den Clans nichts zu tun, sie sind politisch.“ Iman kritisiert zudem, dass es keine unabhängigen Vermittler gibt. Ein Vertrauter Imans wird im Schutz der Anonymität noch deutlicher. „Was soll uns eine Versöhnungskonferenz bringen? Die Regierung will etwas von uns, also soll sie uns ein Angebot machen.“ Der als moderat geltende Exchef der „Union islamischer Gerichtshöfe“, Sheikh Sharif Ahmed, lehnt Gespräche ganz ab, solange nicht die äthiopischen Truppen abgezogen sind.

Umso erstaunlicher, dass die Versöhnungskonferenz von Diplomaten und Hilfswerken in Nairobi weiter so geplant wird, als sei sie der Garant für Frieden in Somalia. Der Papierlage zufolge ist alles auf gutem Weg: 28 Prominente sind in den Regionen des Landes unterwegs und beraten mit den Ältestenräten. „Vermittler sind benannt“, heißt es in einem internen Protokoll. Demzufolge liegen bereits eine Million US-Dollar vor, um die ersten Kosten zu decken. Die Hälfte kommt von Großbritanniens Entwicklungshilfeministerium, 200.000 Dollar von der EU-Kommission, 300.000 von Schweden. Der US-Sonderbeauftragte für Somalia, John Yates, sagte kürzlich Zuschüsse seiner Regierung zu. Die USA unterstützen aber vor allem Yusufs Regierung, mit deren Hilfe sie in Somalia nach Islamisten fahnden.

„Wir wissen, dass die Versöhnungskonferenz kaum etwas bringen wird“, sagt ein anderer EU-Diplomat. „Aber wir finanzieren sie trotzdem – welche Alternative haben wir?“ Beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP, das in engstem Kontakt mit Mahdis Komitee steht, freut man sich schon über kleine Erfolge. „1.300 Teilnehmer für 75 Tage zu beherbergen ist natürlich ein riesiger Aufwand“, gesteht Koordinator Phil Cooper. „Aber sehen Sie es so: Ursprünglich sollten es 3.000 sein, für mich ist das Glas also eher halb voll als halb leer.“

Was genau besprochen wird und mit wem, bei dieser Entscheidung ist Mahdis Vorbereitungskomitee an keine Vorgaben gebunden. Auch die Entscheidung, das Treffen zu verschieben, erfuhren die Finanziers aus den Medien, ärgerte sich gestern ein Botschaftsangestellter.

MARC ENGELHARDT