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Archiv-Artikel

„Der Senat trickst beim Volksbegehren“

Rot-Rot passen einige der Volksbegehren nicht ins Konzept, sagt Karin Flothmann, die Sprecherin von „Mehr Demokratie“. Deswegen verabschiede er das nötige Ausführungsgesetz nicht, das fertig beim Innensenator liege

KARIN FLOTHMANN ist Sprecherin von „Mehr Demokratie“, einer Lobbyorganisation für Volksbegehren.

taz: Frau Flothmann, bei den Wahlen im September stimmten die Berliner und Berlinerinnen dafür, Volksbegehren auf Landesebene zu vereinfachen. Das dafür notwendige Ausführungsgesetz gibt es aber noch nicht. Verfolgt der Senat hier eine Verschleppungstaktik?

Karin Flothmann: Es wirkt so. Solange es das Gesetz nicht gibt, wird die Durchführung von Volksbegehren erschwert. Dabei hatte der Senat ja selbst den politischen Willen bekundet, dass es Erleichterungen geben soll, und dies auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Was müsste der Senat tun?

Das Gesetz verabschieden. Unseren Informationen zufolge liegt es fertig beim zuständigen Innensenator und müsste nur noch in den Senat eingebracht werden.

Warum handeln die Politiker nicht?

Dem Senat passen so einige der jetzt offenen sechs Volksbegehren nicht ins Konzept. Solange das Gesetz nicht verabschiedet ist, sind etwa Unterschriftensammlungen auf der Straße nicht zugelassen. Das ist eine Erschwerung, wenn man bedenkt, dass man für ein Volksbegehren etwa 170.000 Unterschriften sammeln muss. Wir denken, dass es für das Volksbegehren zu Tempelhof schon zu spät für offene Unterschriftensammlungen ist, selbst wenn der Senat das Gesetz sofort verabschieden würde. Es kommt danach ins Abgeordnetenhaus und eventuell in die Ausschüsse. Gültig ist es erst, wenn es im Amtsblatt veröffentlicht ist. Das dauert.

Die Opposition glaubt, der Senat verzögere, weil er das Volksbegehren zum Erhalt des Flughafens Tempelhofs torpedieren wolle. Macht diese Behauptung Sinn?

Sicher. Das Volksbegehren fordert ja, dass Tempelhof offen bleiben soll.

Volksbegehren dürfen aber nicht in die Haushaltsplanung eingreifen. Das würde es, wenn man Tempelhof offen ließe.

Bisher heißt es, Volksbegehren zum Landeshaushaltsgesetz sind unzulässig. Wie das interpretiert wird von der Innenbehörde und den Gerichten, ist aber noch offen. Das spielt im Punkt Tempelhof aber keine Rolle, weil der Senat das Volksbegehren für zulässig erklärt hat. Er konterkariert das Begehren aber, indem er Fakten schafft – etwa die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, der erlaubte, dass Tempelhof als Flughafen genutzt wird.

Welche anderen Erleichterungen sollen gesetzlich denn noch ermöglicht werden?

In erster Linie sind es Details des Verfahrens, etwa Fristen, in denen der Senat das Volksbegehren zulassen muss, oder Fristen, in wie viel Tagen die Unterschriften ausgezählt sein müssen. Bessere Informationsregelungen für den Volksentscheid soll es auch geben. Das Pro vonseiten der Initiative und das Contra vonseiten der Politik müssen erläutert werden. Man kann auch festschreiben, dass die Initiativen Anspruch auf Beratung haben.

Wie können BürgerInnen durch Volksbegehren der Politik in die Suppe spucken?

Sie müssen ihnen nicht unbedingt in die Suppe spucken. Mit Volksbegehren wollen sich die Bürger und Bürgerinnen in die Politik einmischen und eigene Vorstellungen einbringen.

Das ist In-die-Suppe-Spucken.

Demokratie muss Kritik zulassen können. Ein souveräner Senat bräuchte in puncto Tempelhof auch keine Tricks anwenden.INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB