: SPD sitzt zwischen zwei Schulbänken
Bei den Sozialdemokraten mehren sich die Stimmen, die statt der Gemeinschaftsschule ein zweigliedriges Schulsystem unterstützen – wie es Grüne und seit Samstag auch die CDU fordern. Schulsenator Zöllner: „Beide Systeme sind möglich“
VON VEIT MEDICK
Der Vorstoß der CDU, die Hauptschule abzuschaffen, bringt die SPD ins Grübeln über ihre eigene Schulpolitik. Mehrere prominente Sozialdemokraten meldeten gestern erhebliche Zweifel an der Einführung der Gemeinschaftsschule an, die in einem Modellprojekt ab 2008 erprobt werden soll. Zumindest indirekt plädierten sie stattdessen für ein zweigliedriges Schulsystem – wie es auch CDU und Grüne befürworten.
„Ich fürchte, dass ein System, wie die Gemeinschaftsschule es anstrebt, schwer einführbar sein wird“, sagte SPD-Vizefraktionschefin Anja Hertel der taz. SPD-Bildungspolitikerin Renate Harank erklärte: „Wir werden die Ergebnisse des Modellprojekts sehr kritisch bewerten. Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen.“ Auch SPD-Bildungssenator Jürgen Zöllner schloss die Abkehr von der geplanten Gemeinschaftsschule nicht aus. „Optimale Förderung für alle ist im Prinzip in beiden Systemen möglich“, sagte Zöllner auf Anfrage.
Nur unter Bauchschmerzen hatte sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen im vergangenen Herbst dem Druck der Linken gebeugt und dem Modellversuch zugestimmt. Dabei sollen freiwillig teilnehmende Schulen das gemeinsame Lernen von Kindern aus Gymnasien, Haupt- und Realschulen bis mindestens zur 10. Klasse erproben.
Die CDU hatte am Wochenende gefordert, das Hamburger Modell in Berlin einzuführen. In der Hansestadt wird es vom Schuljahr 2009/2010 an neben Gymnasien lediglich Stadtteilschulen geben, in denen ebenfalls das Abitur gemacht werden kann. Mit ihrem Vorstoß will die CDU die Planungen des Senats torpedieren, langfristig auf die Gemeinschaftsschule zu setzen. Offenbar hat sie damit Erfolg.
Kritiker innerhalb der SPD-Fraktion befürchten, dass in der Gemeinschaftsschule lernstarke Kinder nicht genügend, lernschwache Kinder hingegen nicht gezielt genug gefördert werden könnten. „Ich habe meine Probleme mit der Idee“, fasste Vizefraktionschefin Hertel ihre Bedenken zusammen. Man könne nicht einfach über die Köpfe von Eltern und Kindern hinweg das Gymnasium abschaffen. Mit der Zweigliedrigkeit des Hamburger Modells könne die Berliner Bildungsmisere effektiver angegangen werden. Mit Sicherheit werde die SPD weiterdiskutieren, so Hertel. Eine Entscheidung wie diese sei „nicht festgefahren bis in alle Ewigkeit“.
In der Elternschaft wächst unterdessen der Widerstand gegen die Gemeinschaftsschule. „Von diesem Modell hält die Elternschaft mehrheitlich nichts“, sagte André Schindler vom Landeselternausschuss. Stattdessen sei ein binnendifferenzierter Unterricht zwischen Lernstarken und Spätentwicklern „absolut notwendig“.
Schon am Freitag könnte sich die Debatte weiter verschärfen. Dann wird bekanntgegeben, wie viele und welche Schulen sich bereit erklärt haben, an dem Modellprojekt teilzunehmen. SPD-Politikerin Harank geht davon aus, dass in den Ostbezirken eine viel größere Bereitschaft besteht als in den Westbezirken. Man wolle aber in allen Stadtteilen ein Projekt starten, da sonst die Ergebnisse nur wenig aussagekräftig wären.
Zudem sei fraglich, ob die vom Senat festgelegte ausgewogene Schülermischung aus Kindern mit Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialempfehlungen erreicht werden könne. Keine der drei Gruppen soll demnach mit weniger als 20 Prozent vertreten sein. Insbesondere aufseiten der Kinder mit Gymnasialempfehlung erwartet Harank aber eine erhebliche Zurückhaltung. Wenn in dem Schulversuch eine Gruppe unterrepräsentiert sei, „dann haben wir ein Problem“.