O HÄSSLICHE WELT DES SPORTS!
: Die Erfindung des Geschlechtsverkehrs, fern von Sleepbury-upon-Snore

Liebling der Massen

ULI HANNEMANN

Wieso übertragen die das plötzlich alles?“ Solchermaßen wird dieser Tage gern mal das künstlich aufgebauschte Medieninteresse in Sachen Frauenfußball-WM hinterfragt. Auf mich wirkt die Kritik absurd, insbesondere angesichts der Einschaltquoten des zweiten aktuellen Sportgroßereignisses, bei dem Scharen drogensüchtiger Betrüger mit bunten Helmen über die Landstraßen der am meisten überschätzten Nation der Welt gurken – auch wenn wir Letzterer die Erfindung des Geschlechtsverkehrs sowie zahllose Schneckenrezepte verdanken. Das Mischprinzip aus Bewegung an frischer Luft und begleitendem Betäubungsmittelkonsum erinnert an eine feuchtfröhliche Herrentagsrunde auf dem Fahrrad – im Hänger stehen drei Kisten Bier.

Nichts dagegen, solange in diesem Rahmen keine Frauen belästigt (Siegertreppchen!) oder Ausländer verprügelt werden. Aber muss man das beschämende Verhalten „erwachsener“ Männer auch noch live im Fernsehen zeigen, obendrein zu einer Tageszeit, an der auch Kinder vorm Gerät sitzen? Während die Himmelfahrt-Säufer höchstens die daheim gebliebene Gattin angelogen haben, lügen die „Radsportler“ und ihre Funktionäre seit Jahrzehnten der ganzen Welt rotzfrech die Hucke voll.

Spritze aus dem Arm

Obwohl jeder weiß, dass Junkies lügen, macht die Presse die Augenwischerei mit. Zu einer Tautologie wie „der unter Doping-Verdacht stehende Spanier X“ fällt mir „der unter dem Verdacht der Unrechtschaffenheit stehende Adolf Hitler“ ein. Wer nicht vergessen hat, vor dem Rennen die Spritze aus dem Arm zu entfernen, gilt als sauber.

Möchte man noch langweiligere Sportarten sehen, muss man nur den Blick gen USA wenden. Also dorthin, wo der Frauenfußball von jeher boomt, da Soccer „unmännlich“ sein soll. Als Zuschauersport wird Baseball bevorzugt, ein grotesk ermüdendes Standspiel, das mich in seiner Dynamik an Riesenschach im Kurpark erinnert. Langeweile gilt in den Staaten offenbar als ausgesprochen männlich.

Die einzig mögliche negative Steigerung dieses Gähnwettbewerbs heißt Cricket, eine britische Abart des Baseballs, bei der als zusätzliches Gimmick wie bei einem Kindergeburtstag irgendwelche Hölzchen von irgendwelchen Stöckchen runtergeschubst werden müssen. Negative Steigerung deshalb, da das Ärgernis sage und schreibe mehrere Tage dauert und stets dieselben Mannschaften beteiligt sind: Mitgliedsländer eines längst untergegangenen (warum, wird einem hier deutlich vor Augen geführt) „Commonwealth“, die es als solche überhaupt nicht gibt: „West Indies“?

Oder war es Wimbledon?

Ein Spektakel, wie der Farbe an der Wand beim Trocknen zuzusehen – z. B. Alpina-Weiß an einer Gesamtschulturnhalle: Untermalt von kommentierenden Schnarchlauten zeigen eingeschlafene Kameramänner in stundenlangen Totalen schlafwandelnde „Spieler“ über den mit der Nagelschere geschnittenen Rasenteppich schweben. Die dunkelgrün gestrichene, altehrwürdige Holztribüne des „All England Yawn Cricket Club Lord Extra King Humpty Dumpty Sleepbury-upon-Snore, Sir“ wirkt mitsamt dem tief darauf schlummernden Publikum wie ein riesiges Himmelbett.

Ab und zu regnet es, dann werden Schirme aufgespannt, damit keiner der Spieler nass wird – das wäre nicht gentlemanlike. Eine halbe Erdbeere mit einer Viertelunze Schlagsahne kostet 5 Pfund, also etwa 4,76 Guineen beziehungsweise 100 Schillinge, das sind 1.200 alte beziehungsweise 1.000 neue Pence, mit denen man exakt den Raum einer Neuntelgallone füllen könnte. Die Schlange vor dem Erdbeerstand wickelt sich viermal um die Anlage. Alle sind geduldig und froh gestimmt, obwohl sie den großen Moment verpassen, als eines der Hölzchen runterfällt.

Oder habe ich das jetzt mit Wimbledon verwechselt?