LESERINNENBRIEFE
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Inklusion muss bedingungslos sein

■ betr.: „Geldgierige Wohlfahrt“ von Rainer Kreuzer, taz v. 15. 7. 11

Das gibt mir wieder Hoffnung. Endlich einer, der den Mut aufbringt, Tacheles zu reden.

Die Kosten, die jetzt durch die Umstellung von systematischer und akribischer Exklusion auf Inklusion ausgelöst werden und für einen Übergangszeitraum vielleicht sogar etwas höher ausfallen könnten (zum Beispiel Fortbildungen der Lehrkräfte, Ausbildung der persönlichen Assistenten, Schulbegleiter etc.) als das alleinige exklusive System, sind aber nicht Kosten der Inklusion, sondern allenfalls Kosten der Dummheit und Sturheit der Politiker und des Beamtenapparates früherer Jahre. Seit Jahren ignorieren sie Rufe der Wissenschaft und Ergebnisse von Studien, internationale Ländervergleiche etc. oder deuten sie um, wie es ihnen gerade gefällt. Immer noch mehr Geld wurde in den Ausbau und den Erhalt des selektiven Systems gesteckt. Niemand kam den so Ausgesonderten zu Hilfe.

Wo immer kritische Stimmen dagegen laut wurden, wurde noch mehr Geld in die Einrichtungen investiert, um das Eigentliche, nämlich die Exklusion, zu vertuschen, statt sie sukzessive aufzulösen und individuelle inklusive Lebensformen zu stärken. So wie es übrigens vergleichbare Länder im selben Zeitraum machten. So lautet die Gretchenfrage nicht: Können wir uns Inklusion leisten?, sondern: Können wir uns solche Politiker und einen solchen Beamtenapparat noch leisten? Inklusion – also die Freiheit von Ausgrenzung – muss bedingungslos sein, ganz genauso wie die Freiheit von Folter, Zwangsehe, Genitalverstümmelung, Abhörangriffen, Kinderarbeit, Sklaverei etc. Sie ist genauso ein Menschenrecht.

MAGDALENA FEDERLIN, Aichach

Aufbrüche lohnen sich

■ betr.: „Initialzündung, verpufft“ von Martin Kaul, taz vom 16. 7. 11

Stimmt es? Gehörte es tatsächlich mal zu den „Anfängerlektionen“, zu erklären, „was die Demokratiebewegung in Spanien … auch [mit] den Anti-Atom-Protesten in Deutschland zu tun hat“? Ich bin sicher, dass auch 2001 bis 2005 99 Prozent der AktivistInnen nicht über allgemeine Erklärungen wie „soziale oder politische Unzufriedenheit“ hinausgekommen wären. So sympathisch ich die These vom verloren gegangenen Wissen finde (weil dann hätte man ja einen praktischen Ansatz), ich teile sie mitnichten.

Soziale Bewegungen sterben nicht an Verdummung, sondern an nachlassender Dynamik. Diese kommt meist durch die Frustration zustande, doch nichts ändern zu können; gelegentliche Repression entmutigt zusätzlich. Die Bewegungen der Zeiten der „Initialzündung“, die Kaul hier verklärt, hätten zur Finanzkrise wenig Besseres zu sagen gewusst. Vor allem aber: Sie wären 2001 genauso wirkungslos und isoliert geblieben wie 2009 und 2011.

Es geht zwar auch um ökonomische und politische Alphabetisierung, vor allem aber darum, breiteren Massen den Glauben daran zurückzugeben, dass Aufbrüche sich lohnen, dass es Besseres gibt als die Regime flexibler Arbeit und bewusstlosen Konsums. Dennoch, danke für das willkommene Diskussionsangebot.

BASIL MANNHEIM, Nienburg