: Ein Denkort
Die Ausstellung „Denkort Bunker Valentin“ erinnert an Marinerüstung und Zwangsarbeit in dem monströsen Nazi-Bauwerk in Bremen-Farge
Die Ausstellung verliert sich links hinten im Bunker. Das ist nicht weiter überraschend, denn der ist sechs Fußballfelder groß. 1943 wurde mit den Bauarbeiten an Valentin, so lautete sein Tarnname, begonnen, zu einem Zeitpunkt, als der Krieg für das nationalsozialistische Deutschland schon so gut wie verloren war. Es ist kein einziges U-Boot in der Bunker-Werft gebaut worden. Aber es starben mehr als 1.100 Zwangsarbeiter während der Bauarbeiten. An Hunger, Entkräftung oder den Misshandlungen des Wachpersonals. Die Ausstellung „Denkort Bunker Valentin. Marinerüstung und Zwangsarbeit“, die gestern eröffnet wurde, soll daran erinnern.
Wobei niemand verschweigt, dass sie ein Provisorium ist. Im Gegenteil. „Erweiterungen sind auf jeden Fall möglich“, sagt Herbert Wulfekuhl von der Bremer Landeszentrale für politische Bildung, die gemeinsam mit der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten und zwei Geschichtsgruppen die Ausstellung konzipiert hat. „Wir haben sie mit den begrenzten Möglichkeiten erarbeitet, die wir haben.“ Wobei vor einer möglichen Erweiterung, und das ist es, was Wulfekuhl umtreibt, der Auszug der Bundeswehr steht. Die nämlich wird den Bunker, dessen halbe Fläche sie als Übungsplatz und Lagerraum nutzt, 2010 verlassen. Wulfekuhl aber sieht sich nicht in der Lage, ohne Bundeshilfe den Ort als Gedenkort aufrechtzuerhalten. Doch der parlamentarische Staatssekretär aus dem Verteidigungsministerium betonte zwar die Bedeutung des Bunkers als Gedenkort – für finanzielle Unterstützung sei aber nicht das Verteidigungs-, sondern das Finanzministerium zuständig, in dessen Hände der Bunker 2010 übergehe.
So unklar also die Zukunft des Projekts bleiben wird, so klar ist: Bereits mit einer Ausstellung, die vieles nur anreißen kann, vermittelt sich der gigantomanische Irrsinn des Nationalsozialismus an diesem Ort besonders eindrücklich. Wer durch eine kleine Schleuse in den zweiten, ungenutzten Teil des Bunkers geht, sieht den Durchschlag der beiden 10- Tonnenbomben durch die 4, 5 Meter dicke Decke, er sieht die Gerüststreben wie riesige steinerne Äste herausragen. Es ist ein Anblick, der noch in seinem Verfall gigantoman wirkt und deshalb wirkt es beruhigend, dass alle Besuche mit einer Führung verbunden sind – und so die sonderbare Faszination dieses monströsen Baus in seinen Entstehungskontext gestellt wird.
Auch die Ausstellung bemüht sich um Anschaulichkeit: Neben den Informationen über die U-Boot Politik des Dritten Reichs und die Baugeschichte wird mit Tonbandprotokollen und den wenigen vorhandenen Fotos versucht, den Zwangsarbeitern nachträglich eine Stimme und ein Gesicht zu geben. Ein Franzose erzählt die für ihn schlimmste Erinnerung, eine Erinnerung, die ihn, so sagt er, „noch immer nachts wach hält“: Er hatte mit einer kleiner Gruppe Vertrauer in ihrem verzweifelten Hunger entschieden, den Hund des SS-Manns zu töten und zu essen.
Er schärft die Metallstifte, ein Metzger tötet das Tier, das sie roh und vollständig voller Eile verschlingen. Natürlich wird die Tat entdeckt, beim nächsten Appell soll sich der Schuldige melden. Er schweigt, aber die SS-Leute entdecken eine Spur Blut an seinem Mund. Nachdem man ihn ausgepeitscht hat, ketten sie ihn in der Hundehütte an und lassen ihn Suppe auflecken, bis er sich übergeben muss. Man zwingt ihn, das Erbrochene zu essen und Männchen zu machen. Nach einer Operation, sagt der alte Mann, sei er aufgewacht und habe plötzlich gedacht, er sei wieder an der Hundehütte angekettet.
Der Bunker Valentin blieb nach dem Krieg lange unbeachtet, nach gescheiterten Plänen, daraus die Hülle für einen Atomreaktor oder eine Windkraftanlage zu machen, zog 1986 die Bundeswehr ein. Es waren zwei Radiojournalisten, die Anfang der 80er Jahre auf die Geschichte des Bunkers aufmerksam machten. Damals entschloss sich aus der ehemalige Zwangsarbeiter Claas Taubert, noch einmal nach Bremen-Farge zu kommen. In seinem letzten Brief, der bei der Eröffnung vorgelesen wurde, erinnert er sich, wie drei Wachleute einen Arbeiter zu Tode prügeln, lachend. „Wo warst du damals Herr“, fragt Taubert. Und die Feiergäste klatschen nicht am Ende. GRÄ