: König Kurt doch nicht korrupt?
Im Prozess gegen den Hildesheimer Oberbürgermeister Machens wird der Vorwurf der Korruption fallen gelassen. Die Staatsanwaltschaft geht aber weiter davon aus, dass er schwarze Kassen führte
von REIMAR PAUL
Im Strafverfahren gegen den Hildesheimer Oberbürgermeister Kurt Machens gibt es ebenso oft neue Überraschungen und Wendungen wie in der politischen Karriere des gelernten Chirurgen. Zur jüngsten Volte kam es gestern bei der Verhandlung vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Göttingen. Da kündigte der Vorsitzende Richter Karl-Heinz Matthies an, der Korruptionsvorwurf gegen Machens werde fallengelassen. Das weitere Verfahren solle auf den Vorwurf der Untreue beschränkt werden. Matthies zufolge haben Staatsanwaltschaft und Verteidigung dieser „Anregung“ des Gerichts zugestimmt. Im Fall einer Verurteilung ist das Strafmaß für Untreue wesentlich geringer als bei Korruption.
Der Fall Machens geht auf das Frühjahr 2000 zurück, als der CDU-Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtwerke 25,2 Prozent des Versorgungsbetriebs zum Verkauf anbot. Den Zuschlag erhielten im Bieterverfahren die Energiekonzerne Ruhrgas, heute Eon Ruhrgas, und Thüga. Die beiden Unternehmen spendeten im Anschluss rund 470.000 Euro an einen von Machens und anderen Honoratioren gegründeten Spendensammel-Verein namens „Pecunia non olet“, zu Deutsch „Geld stinkt nicht“.
„Pecunia non olet“ förderte denn auch fleißig gemeinnützige Einrichtungen in Hildesheim. Der Oberbürgermeister vergab meist persönlich großzügige Spenden aus den Mitteln des Vereins – zum Teil an Einrichtungen, in deren Vorstand Machens selbst saß. Weil er sich mit der Leiterin des örtlichen Museums verkracht hatte, floss „Pecunia“-Geld für Grabungen in Ägypten nur unter der Bedingung, dass sie das Projekt nicht leitete.
Großer Nutznießer von „Pecunia“ war auch das Hildesheimer Goethe-Gymnasium, das 2001 rund 75.000 Euro für Computer erhielt. Erst nachdem bei einem Einbruch die meisten Rechner gestohlen wurden, erfuhr die Öffentlichkeit von der Existenz des Vereins.
Auch die Staatsanwaltschaft bekam Wind von der Sache und nahm Ermittlungen auf. Im Juli 2002 durchsuchten Korruptions-Fahnder in einer spektakulären Razzia im Rathaus die Büros der Verwaltungsspitze und des Oberbürgermeisters. Machens ließ sich davon nicht sonderlich beeindrucken und trat wie geplant seinen Dienst im Kosovo als Oberfeldarzt der Reserve an.
Die Staatsanwaltschaft klagte Machens und zwei Stadtwerke-Vorstände schließlich wegen Bestechlichkeit an. Das Landgericht Hildesheim sprach alle drei Beschuldigten jedoch frei. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil allerdings wieder auf und verwies den Fall zur Neuverhandlung nach Göttingen. Dieser Prozess hat im März begonnen.
Richter Matthies erklärte gestern, nach der bisherigen Beweisaufnahme deute nichts darauf hin, dass die Entscheidung für den Teilverkauf der Stadtwerke Hildesheim an Ruhrgas und Thüga durch Spenden dieser Unternehmen beeinflusst worden sei. Es gehe aber weiterhin um den Vorwurf „der Bildung schwarzer Kassen“.
Nachdem der Pecunia-Spendenskandal aufgeflogen war, hatte auch der Hildesheimer Stadtrat reagiert und Machens aus dem Amt gewählt. Die CDU schloss ihn aus der Partei aus. Nach dem zwischenzeitlichen Freispruch meldete sich Machens jedoch in die Politik zurück. Zur Kommunalwahl gründete er kurzerhand seine eigene Partei, das „Bündnis!“, und bewarb sich um den Posten des Oberbürgermeisters. In der Stichwahl setzte er sich mit 55 Prozent der Stimmen klar durch. Seit dem 1. Februar fungiert Machens wieder als Oberbürgermeister und höchster Verwaltungsbeamter in Hildesheim.
„König Kurt“ oder „Der schöne Kurt“, wie Machens in Hildesheim oft genannt wird, ist nicht nur wegen der Prozesse und seiner erstaunlichen Karriere eine der schillerndsten Figuren der deutschen Kommunalpolitik. Wo viele andere Bürgermeister graue Langeweile vermitteln, verbreitet der Mann mit dem Omar-Sharif-Bart Glamour und die Aura eines Lebemanns.
Und so inszeniert Machens auch seine Auftritte bei Gericht nach allen Regeln der politischen Kunst und dem Motto: Kann denn Spenden Sünde sein? Mit einem Urteil der Göttinger Wirtschaftsstrafkammer rechnen Prozessbeobachter im Spätsommer.