Nächtlicher Bagger-Einsatz im Gezi-Park in Istanbul

TÜRKEI Passanten befürchten einen Testlauf für den Abriss des Parks und stoppen die Bauarbeiten

BERLIN taz | Während Istanbul gerade im Valideba-Park auf der anatolischen Seite der Stadt eine kleine Neuauflage der Gezi-Proteste erlebt, schien es in der Nacht zu Mittwoch für einen Moment im Gezi-Park ernst zu werden: Bauarbeiter rückten mit Baggern an, um am Rand des Parks ein paar Quadratmeter Erdreich abzutragen. An einen Baum befestigten sie ein in Comic-Sans-Schrift bedruckten Zettel: „Bauarbeiten für eine Bushaltestelle.“

Was danach passierte, schilderte der Theaterschauspieler und Tänzer Ertürk Erkek so: Erst hätten Passanten eingegriffen, dann seien weitere hinzugekommen, bis es etwa 70 Personen gewesen seien. Sie hätten die Arbeiter dazu gebracht, ihre Tätigkeit einzustellen.

Die Sondereinsatzkräfte, die immer (und seit den Gezi-Protesten im Sommer 2013 in größerer Zahl) am angrenzenden Taksim-Platz stehen, hätten nicht eingegriffen. Jedoch seien Zivilpolizisten vor Ort gewesen und hätten die Leute beschimpft und bedroht. Erkek gehörte zu den 25 Leuten, die die Nacht im Park verbracht hätten.

Dabei hatte das Istanbuler Verwaltungsgericht die Bebauung des Gezi-Parks bereits im vorigen Jahr für rechtswidrig erklärt. Inzwischen wurde der Einspruch des Kulturministeriums und der Istanbuler Stadtverwaltung letztinstanzlich zurückgewiesen. Dennoch billigte am Montag das Istanbuler Stadtparlament den Haushalt für das kommende Jahr, in dem unter dem Stichwort „Strategische Planungen bis 2019“ die „Restauration der Taksim-Kaserne“ vorgesehen ist. Die 1940 abgerissene Kaserne sollte laut den Plänen des damaligen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan im Zuge des Abrisses des Gezi-Parks wiederaufgebaut werden.

Erdloch wieder geschlossen

„Der Rechtsweg ist abgeschlossen, und trotzdem halten die Stadt und die Regierung an ihrem Plan fest“, sagt Erkek. „Wären wir nicht in unseren Park geeilt, hätten sie diesen Bereich sofort zubetoniert.“ Stattdessen schaufelten Leute noch in der Nacht den aufgerissenen Erdboden wieder zu. Im Laufe des Mittwochs erklärten Fußballfans, Homoaktivisten, die „Taksim-Solidarität“ und andere, die voriges Jahr demonstriert hatten, sie würden jederzeit in den Park zurückkehren. DENIZ YÜCEL