Bioweizen als jährliche Rendite

VOR ORT Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe finanzieren sich mit Bürgergeld – und manche davon zahlen einen Naturalzins. Die größten Pläne der Branche hat derzeit die südbadische Regionalwert AG

Vom Acker bis auf den Teller: Regionale Direktvermarktung ist meistens bio

VON BERNWARD JANZING

Die Globalisierung macht verwundbar. Davon ist Christian Hiß überzeugt: „Die Abhängigkeiten von global organisierten Lieferketten bei Saatgut, Energie, Dünger und Technik sind groß und risikobehaftet“, sie müssen daher „in der betrieblichen Bilanz berücksichtigt werden“ – das ist eine seiner „10 Thesen fürs Umdenken“. Eine andere lautet: „Regionale Versorgungssicherheit muss ein politisches Thema werden.“ Oder auch: „Die Wertschöpfung aus der Land- und Ernährungswirtschaft muss wieder in die Region fließen und nicht wie jetzt aus der Region abfließen.“

Aber Hiß ist kein Theoretiker, der über eine bessere Gesellschaft sinniert. Er ist gelernter Gärtnermeister und wuchs auf einem der ersten Biohöfe Deutschlands auf, in Eichstetten am Kaiserstuhl. 1981 gründete der heute 53-jährige Südbadener dann eine Gemüsegärtnerei und ergänzte sie später durch einen Milchbetrieb mit Käserei. Bekannt wurde er ab 2006 durch die Gründung der Regionalwert AG (RWAG). Ein Unternehmen, das – so steht es in der Satzung – „einen Beitrag zur Erhaltung und Verbesserung einer nachhaltigen ökologischen und regionalen Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung vom Landbau bis zum Endverbrauch leisten“ will.

Und das heißt konkret: Die RWAG beteiligt sich an Unternehmen der ökologischen Nahrungsmittelwirtschaft, indem sie diesen Eigenkapital zur Verfügung stellt. Die Unternehmen sollen dann als Teile einer regionalen Wertschöpfungskette voneinander profitieren. Zum Beispiel, wenn ein Obstbetrieb Äpfel an eine Firma liefert, die Trockenobst erzeugt, und dieses dann an einen Bioladen verkauft. „Vom Acker bis auf den Teller heißt unser Prinzip“, sagt Christian Hiß, der 2011 die Auszeichnung „Social Entrepreneur des Jahres“ erhielt.

An 19 Betrieben ist das Unternehmen inzwischen beteiligt. Das wird durch Geld von Privatanlegern ermöglicht: Gut 2,2 Millionen Euro hatte die RWAG bis Ende 2013 bereits eingesammelt. Aktuell läuft eine weitere Kapitalerhöhung. Seit Anfang Oktober werden 2.234 neue Aktien für jeweils 500 Euro ausgegeben. Die Regionalwert AG ist das bekannteste Unternehmen aus der Landwirtschaft, das sich mit Bürgergeld finanziert. Aber es ist bei Weitem nicht das einzige: „Diese Art der Finanzierung hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen“, sagt Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft e. V. in Berlin.

Vor allem in Süddeutschland sei dieses Modell populär: „Dort ist die Bindung der Menschen an das Land stärker.“ Zudem fällt auf, dass solche Finanzierungsmodelle praktisch ausschließlich im Ökolandbau verbreitet sind. „Das hängt auch damit zusammen, dass die regionale Direktvermarktung eine Stärke der Biobetriebe ist“, sagt Röhrig. Denn wer den direkten Kontakt zu seinen Kunden hat, tut sich naturgemäß leichter, diese für eine Kapitalbeteiligung zu gewinnen.

Der besondere Reiz der Finanzierung landwirtschaftlicher Betriebe liegt auch darin, dass diese mitunter statt Zins eine Rendite in Form von Naturalien gewähren. Das Weingut Pix am Kaiserstuhl ist so ein Beispiel: Wer sein Geld für fünf Jahre in den sogenannten Genuss-Scheinen anlegt, erhält jährlich 7,5 Prozent Naturalzins; er kann dann für einen entsprechenden Betrag aus der jährlichen Weinliste des Gutes frei auswählen. Die Mindestanlagesumme liegt hier bei 1.000 Euro.

Ähnlich geht auch die Landwirtschaftsgemeinschaft Dottenfelderhof KG im hessischen Bad Vilbel vor: Für einen Kommanditanteil in Höhe von 1.500 Euro erhält man dort jährlich einen Ertragsschein, der einem Doppelzentner Bioweizen entspricht. Dieser kann dann im zugehörigen Bioladen eingelöst werden. Zuletzt lag der Wert bei 37 Euro.

Doch die finanziellen Renditen stehen bei diesen Projekten zumeist gar nicht im Vordergrund. „Die ideelle Rendite ist der entscheidende Nutzen“, heißt es etwa bei der Hofgut Oberfeld Landwirtschaft AG, einem biologisch-dynamisch wirtschaftenden Bürgerunternehmen in Darmstadt. Der Betrieb produziert auf 155 Hektar nach den Richtlinien des Demeter-Verbandes und betreibt nebenbei einen Hofladen.

Auch die Regionalwert AG will den monetären Gewinn für die Anleger nicht im Vordergrund sehen. Und deswegen legt sich das noch im Aufbau befindliche Unternehmen auch nicht fest, wann die ersten Gewinne und Dividendenzahlungen zu erwarten sind.

Es verweist vielmehr darauf, dass es zum Grundverständnis der RWAG zähle, vor allem einen sozialökologischen Gewinn zu erzielen.

Dieser freilich liegt auf der Hand – in zweifacher Hinsicht sogar. Denn das Unternehmen will erstens die ökologische Agrarwende voranbringen. Und es will zweitens auch mehr „lokale Ernährungssouveränität“ schaffen, also die Abhängigkeit von den Weltmärkten reduzieren. Gemäß seinem Selbstverständnis: „Unsere Region kann ihre Bürger ernähren, dann sollte sie es auch tun.“