Kleinod Großsiedlung

Vahr: Die „Stadt der Zukunft“ ist 50 Jahre alt und immer noch vorzeigbar – weil sie die Fehler ihrer Nachfolger vermied

Die Augen jetzt schließen und zuhören: Die Vahr ist schön. Die Vahr ist toll. Die Vahr ist ein gelungenes Projekt. Oder: „50 Jahre Vahr“, wie es Peter Runkel, Ministerialdirektor im Bundes-Bauministerium ausdrückt, „sind 50 Jahre erfolgreicher deutscher Siedlungsgeschichte.“

Das kann man alles so stehen lassen: Faszinierend der Aufbruch, den das damals größte Wohnbauprojekt Westeuropas bedeutete, beeindruckend wie die „Stadt der Zukunft“ – so hieß die Vahr in Gazetten und Wochenschauen der Adenauer-Ära – Fehler ihrer Nachfolger vermied: Dort lässt sich leben, weil man seinerzeit die landschaftliche Grundstruktur der lang gestreckten, durch Fleete und Hecken voneinander getrennten Felder auf die Wohnblöcke übertrug, weil man die Siedlung als Wohnpark, statt als Hochhausgletscher plante. Man kann es auch noch einmal anders formulieren und wiederholen.

Sich gepflegt darüber streiten? Das geht nicht: Die zwei Podiumsdiskussionen zum Thema, von der Bremer Aktiengesellschaft für Wohnen und Bauen – Gewoba – anlässlich des Jubiläums organisiert, zeichnen sich durch einen Mangel an Kontroverse aus. Gibt es sie nicht? Oder will man sie nicht haben, nicht zum Jubiläum wenigstens? Ortsamtsleiter Werner Mühl prescht ab und an erfrischend vor: Erinnert an den Neue Heimat-Verkauf vor 21 Jahren und an aktuelle Integrationsprobleme. Es gebe momentan Schwierigkeiten „mit der zweiten Generation der Russlanddeutschen“, so Mühl, oft sei das ein Thema im Ortsbeirat.

Darf man denn einfach so die Geburtstagskerzen auspusten? Man darf, aber die lassen sich ja schnell wieder anzünden. Gewoba-Vorstand Manfred Sydow erinnert daran, dass Integration eben nicht in erster Linie eine Frage des Quartiers und kaum durch bauliche Maßnahmen zu erreichen sei.

Das Privatisierungsthema ist ohnehin kein kontroverses: Der Vorstandskollege Klaus Stadler hat die Großsiedlung zuvor als Kleinod bezeichnet, Sydow schiebt nun nach, die Vahr sei „Herzstück der Gewoba“ – und dass sie nicht von Investmentfonds verfrühstückt werden darf, ist auch klar. Runkel lobt noch einmal das „Erfolgsmodell“, dass die Stadt „bewahren und fortentwickeln“ solle. bes