: Die bunten Haufen
MITTE Jede politische Koalition ist im Hauptstadtbezirk denkbar
Der Bezirk Mitte wird gern Großbezirk genannt. Schon um klar zu machen, wovon genau gesprochen wird. Schließlich gab es schon vor der Bezirksreform im Jahr 2001 einen Bezirk namens Mitte, der dann mit den angrenzenden Stadtteilen Tiergarten und Wedding zusammengelegt wurde. Zwar ist Mitte weder von der Einwohnerzahl und erst recht nicht von der Fläche der größte der zwölf Berliner Bezirke, dennoch verdient Mitte den Namen Großbezirk wie kaum ein anderer – wegen seiner sozialen Breite. Die reicht vom Regierungsviertel und den topsanierten Altbauten in Alt-Mitte bis zu den Plattenbauten am Alexanderplatz und den alten Arbeitervierteln im Wedding oder am Westhafen in Moabit.
Noch bunter aber ist die politische Landschaft im Bezirk. Hier gab es Parteienbündnisse, die andernorts unvorstellbar sind. Dabei gibt es in den Bezirksverordnetenversammlungen eigentlich gar keine Koalitionen. Traditionell darf die stärkste Fraktion den Bürgermeister vorschlagen. Die Stadtratsposten werden dann je nach Fraktionsgröße verteilt. Im aktuellen Bezirksamt sitzen neben drei Sozialdemokraten einer von der CDU, ein Grüner und eine Linke.
Vor den Wahlen 1995 befürchtete der damalige schwarz-rote Senat, dass die PDS in allen Ostbezirken stärkste Fraktion werden könnte und damit das Recht hätte, den Bürgermeister zu stellen. Kurzerhand wurden per Anweisung die sogenannten Zählgemeinschaften eingeführt: zwei oder mehrere Fraktion können sich seither zusammenschließen, um das Vorschlagsrecht für den Bürgermeister zu bekommen.
In Mitte wurde reichlich davon Gebrauch gemacht. Weil die PDS 1995 eine Kandidatin mit SED-Vergangenheit vorschlug, schlossen sich SPD, Grüne und CDU zusammen und kürten Joachim Zeller (CDU) zum Bürgermeister. Der war auf lokaler Ebene so beliebt, dass er auch 2001 nach der Zusammenlegung von Mitte mit Wedding und Tiergarten im Amt blieb. Dabei hatte die SPD da einen eigenen Kandidaten durchsetzen wollen. Der Christdemokrat aber wurde nun von Grünen, FDP und der PDS unterstützt. Nach der nächsten Wahl 2006 kam es in Mitte schließlich zur „spanischen Koalition“: Rot-Gelb-Rot, also SPD, FDP und die mittlerweile in Linkspartei umbenannte PDS wählten den Sozialdemokraten Christian Hanke ins Amt.
Solche Zählgemeinschaften sind nicht so stabil wie echte Koalitionen. Weil die SPD sich mit der Linken nicht auf einen Haushalt für die Jahre 2010/11 einigen konnte, arbeitet sie nun mit den Grünen zusammen. Welch bunter Haufen sich nach dem 18. September zusammenfindet, ist somit völlig offen. Deshalb nur zur Info: Spitzenkandidat der CDU ist Carsten Spalleck, der derzeitige Wirtschaftsstadtrat. GA