: Ach ja, die Briten
betr.: „Die EU wird wieder von Kurfürsten regiert“, taz vom 27. 6. 07
Johannes Voggenhuber (Grüne) sagt: „Von Helsinki bis Lissabon sind die Erwartungen, die ich zu hören bekomme, immer wieder die gleichen.“ Seltsam. Warum wenden sich denn Bürger aus Helsinki ausgerechnet an ihn? Hat der Österreicher denn nicht ebenso wenig Macht wie andere Europaparlamentarier auch? Er behauptet, die EU stehe für den „Machtverzicht der Regierungen“. Englische Freunde sagen mir, die EU führe zum Machtverzicht der Regierten! Ach ja, die Briten.
Voggenhuber wünscht, dass sie entweder ohne Vorbehalte „diesem (!) Europa angehören“ oder die EU verlassen, zumal sie ja eine völlig andere Rechts- und Wertekultur hätten. Letzteres mag stimmen. Warum gingen denn Marx, später dann Freud und Popper dorthin ins Exil? Erst heute stehen viele Deutsche in Sachen Wertekultur den Briten näher als den Rumänen. Was wäre, wenn einer anfinge, den Ausschluss Rumäniens aus der EU zu erwägen? Das träfe dann Österreichs einstigen Hinterhof, der in der EU alles brav mitmacht. Dass Briten weniger pflegeleicht sind, liegt wohl an deren Wunsch, eigene demokratische Rechte zu wahren. Voggenhuber deutet es anders. Er sagt: „Die Briten leben immer noch mit dem Trauma, kein Empire mehr zu sein.“ Ach. Könnte es sein, dass er die Österreicher oder sogar sich selbst meint, wenn er hier von den Briten spricht? Unter den Habsburgern war Österreich eine Großmacht, aber nach 1918 lebten die Österreicher plötzlich in einem Kleinstaat. Erst der EU-Beitritt gab ihnen wieder die Chance, in einem Parlament zu sitzen, dessen Zuständigkeit nicht nur von Bregenz bis Wien reicht. Ist es da reiner Zufall, dass Voggenhuber seine Zuständigkeit „von Helsinki bis Lissabon“ so hervorhebt? Und wie schafft er es nur, sich die fehlende Begeisterung der Briten für ihre Teilhabe am EU-Empire dadurch verständlich zu machen, dass er unterstellt, die Briten litten unter dem „Trauma, kein Empire mehr zu sein“?
THOMAS WIEGAND, Offenbach