: Schulen sparen beim Papier
Mit einem Entrümpelungsprogramm will Bildungssenator Zöllner die Bürokratie im Schulsystem verringern. Das soll Lehrkräfte entlasten und motivieren. Die Schulen freuen sich über die Initiative
Zeugnisse verlieren an Umfang: Sprünge von mehr als einer Note sollen nur noch auf Anfrage schriftlich begründet werden. Zeugnisformulare sollen vereinfacht werden. Das Arbeits- und Sozialverhalten von Schülern soll künftig nur noch im Jahresabschluss-, aber nicht mehr im Halbjahreszeugnis bewertet werden. In der dualen Ausbildung an Berufsschulen soll es gar keine Halbjahreszeugnisse mehr geben. Die Begründung der Oberschulempfehlung im Halbjahreszeugnis der 6. Klasse soll statt mehrerer Seiten nur noch eine umfassen.
Individuelle Förderpläne müssen nur mit den betroffenen SchülerInnen und deren Erziehungsberechtigten, aber nicht mehr mit der gesamten Klassenkonferenz abgesprochen werden. AWI
VON ALKE WIERTH
Bildungssenator E. Jürgen Zöllner wirkte im wahrsten Sinne des Wortes erleichtert: „Ich habe nicht geglaubt, dass dabei so viel herauskommt“, sagte der Sozialdemokrat, als er gestern die Ergebnisse der von ihm eingerichteten Arbeitsgruppe „Bürokratieabbau“ vorlegte. Seit Februar hatten acht Experten, darunter Berliner Schulleiter ebenso wie Fachleute aus anderen Bundesländern, Schulgesetz und Verwaltungsvorschriften durchforstet. Ihr Ziel: überflüssige Bestimmungen, unnötige Dienstwege oder ausufernde Formulare zu finden – und zu beseitigen.
Fast 40 Vorschläge umfasst der Abschlussbericht der Gruppe. 18 hat der Senator in einem „Sofortprogramm“ zusammengefasst. Mit dessen Umsetzung will er im kommenden Schuljahr beginnen. So soll das Genehmigungsverfahren von Klassenfahrten, die bisher mit einem zehnseitigen Formular bei der Schulaufsicht beantragt werden mussten, vereinfacht und der Schulleitung selber übertragen werden. Von den in der Grundschule geschriebenen Vergleichsarbeiten soll nur eine erhalten bleiben: die in der 3. Klasse als bundesweiter Leistungsvergleich geschriebene. Auch bei den Zeugnissen soll einiges anders werden (siehe Kasten).
Bis zu zwei Prozent der Arbeitszeit von Lehrern will Zöllner damit freischaufeln – das sind 20 bis 30 Arbeitsstunden im Jahr. So will er Lehrkräfte entlasten und motivieren. „Wir wollen eine selbstständige Schule“, betonte der Senator. Dafür müsse man sich von überflüssigen Vorschriften verabschieden und auch mal sagen: „Des brauche mer net!“
„Wir bräuchten noch viel mehr nicht“, meint Oppositionspolitiker Özcan Mutlu. Dem bildungspolitischen Sprecher der Grünen gehen die Vorschläge nicht weit genug. Mutlus Kritik: Nicht nur an den Schulen, auch in der Senatsbildungsverwaltung selber müsste Bürokratie abgebaut werden.
Überwiegend positiv bewertet den Zöllner-Plan dagegen Wolfgang Harnischfeger, Direktor des Beethoven-Gymnasiums in Lankwitz und Vorsitzender der Vereinigung der Berliner SchulleiterInnen (VBS). „Alles, was uns Schreibarbeiten erspart, die keine Wirkung haben, ist gut“, so Harnischfeger. Auch die Abschaffung der Vergleichsarbeiten begrüßt er, denn: „Sie dienten nicht dem Lernfortschritt der Schüler.“
„Das bedeutet für uns eine erhebliche Entlastung“, stimmt sein Kollege Erhard Laube zu. Der Leiter der Spreewald-Grundschule in Schöneberg war als Vertreter der VBS selbst in der Arbeitsgruppe Bürokratieabbau. „Ich freue mich, dass Herr Zöllner so viele unserer Empfehlungen aufgenommen hat.“ Er hoffe aber, dass auch die weiteren Vorschläge der Arbeitsgruppe geprüft würden und zur Umsetzung kämen.
Dass er weitermachen wird, hat Zöllner gestern bereits angekündigt. In einem Brief werde er alle Schulen bitten, eigene Vorschläge zum Abbau von Bürokratie zu machen. Die würden dann in seinem eigenen Haus geprüft. Zudem werden die Ergebnisse von zwei weiteren Arbeitsgruppen, die Zöllner nach seinem Amtsantritt eingerichtet hatte, in Kürze erwartet. Noch in dieser Woche sollen die Vorschläge einer Arbeitsgruppe zur „Verbesserung der Lehrkräfteplanung und -zuteilung“ präsentiert werden. Die der AG „Qualitätsmanagement in der Schulaufsicht“ sollen nach den Ferien kommen.