: Organisationen uneins in der Krise
INSTITUTIONEN Die Entwicklung rechtsstaatlicher Strukturen im Kosovo ist nur beschränkt gelungen
SPLIT taz | Als am 12. Juni 1999 nach einem fast drei Monate währenden Bombenkrieg gegen Serbien Nato-Truppen in den Kosovo einrückten, sollte nach dem Waffenstillstandsabkommen von Kumanovo das gesamte Gebiet der ehemaligen autonomen serbischen Provinz besetzt werden. Aus bisher noch ungeklärten Gründen stoppten jedoch die französischen Truppen auf den Brücken über den Ibar-Fluss in der Stadt Mitrovica. Das vor allem von Serben bewohnte und direkt an Serbien grenzende Gebiet nördlich des Flusses blieb deshalb unter Kontrolle des serbischen Staates und den rund 50.000 Serben der Region.
Die anschließend das Land verwaltende UN-Mission in Kosovo ( Unmik) versuchte zwar, zusammen mit den internationalen, von der Nato geführten KFOR-Truppen in den folgenden Jahren alle Regionen des Kosovo zu kontrollieren und rechtsstaatliche Verhältnisse aufzubauen. Dies gelang jedoch nicht in Nordmitrovica: Einerseits verweigerten die serbischen Behörden unter dem nationalistischen Präsidenten Vojislav Kostunica die Zusammenarbeit mit der UN-Mission in dieser Frage, andererseits entwickelte sich eine mafiöse Extremistenszene, die bald unabhängig von Belgrad Eigeninteressen anmeldete. Der bis heute wenig behinderte Zugang zu Serbien ermöglichte es dieser Szene, sogar über die offiziellen Grenzübergänge hinweg zollfrei Waren aus Serbien einzuführen und in die Albanergebiete weiterzuverkaufen – so vor allem Benzin. Die Mafia beider Seiten hat also keinerlei Scheu, über die ethnischen Grenzen hinweg gut zusammenzuarbeiten.
Am 17. Februar 2008 erklärte sich Kosovo für unabhängig, ein Schritt, der von der Mehrheit der insgesamt 130.000 Serben im Lande nicht anerkannt wurde. Während aber in den südlichen Enklaven ein Umdenkungsprozess stattfindet, blockierten die serbischen Behörden und die mit der Mafia verwobenen nationalistischen Extremisten in Nordmitrovica jegliche Zusammenarbeit mit der Regierung in Prishtina. So wurden 2010 serbische Wähler mit Gewalt daran gehindert, an den Wahlen zu einem gemeinsamen Kosovoparlament teilzunehmen. Der Schmuggel ging weiter.
Die Institutionen der internationalen Gemeinschaft, die weiterhin im Kosovo geblieben sind und beim Staatsaufbau helfen sollen, haben seither an diesem Zustand nichts geändert. Sie sind zudem in ihrer politischen Ausrichtung gespalten. Die ursprünglich geplante EU-Mission mit ihrer Rechtsstaatsmission Eulex (rund 1.700 Mitarbeiter) sollte zusammen mit der OSZE und den KFOR-Truppen (noch 7.000 Soldaten) den Aufbau eines multinationalen demokratischen Staates unterstützen. Doch weil fünf EU-Länder sich weigerten, Kosovo diplomatisch anzuerkennen, kann die Eulex – wie die verbliebene UN-Mission – nur „statusneutral“ auftreten. Sie weigert sich, eine effektive Kontrolle der Grenzen durchzusetzen, obwohl Eulex-Polizisten an den Grenzstationen stationiert sind. Das International Civil Office ( ICO), das die Anerkennungsstaaten (USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien) vertritt, unterstützt dagegen inoffiziell die Kosovoregierung, die Souveränität Kosovos auf dem gesamten Staatsgebiet durchzusetzen. Nato, UN, Eulex und ICO ziehen also auch in dieser Krisenlage nicht an einem Strang. ERICH RATHFELDER