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Archiv-Artikel

Anwälte mit Rechtsproblemen

Vorstandwahlen zur Hanseatischen Rechtsanwaltskammer müssen nach Wahlanfechtung vermutlich ein zweites Mal wiederholt werden. Anwalt Corvin Fischer will damit „Filz“ bekämpfen

VON KAI VON APPEN

Die Hamburger Anwaltschaft befasst sich gerade mit einem pikanten Rechtsfall – mit sich selbst. Allem Anschein nach sind die Vorstandwahlen der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer nicht korrekt abgelaufen. Zumindest teilte der Hamburger Anwaltsgerichtshof vorab mit, dass die Wahlanfechtung von drei Anwälten nach dem jetzigem Beratungsstand „zulässig und begründet“ sei.

8.197 AnwältInnen gibt es zurzeit in Hamburg. Und wer eine anwaltliche Tätigkeit in der Stadt ausüben möchte, muss zwangsweise Mitglied der Kammer werden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts in Selbstverwaltung, wählt aus ihren Reihen einen 23-köpfigen Vorstand. Nach der Bundesrechtsanwaltsordnung muss alle zwei Jahre die Hälfte des Vorstands neu gewählt werden.

In Hamburg wird dagegen traditionell ein modifizierter Modus praktiziert: Jährlich finden Wahlen zum Kammervorstand statt, dafür muss jedoch nicht immer gleich die Hälfte der Mitglieder rotieren. In diesem Jahr standen neun Mandate zur Wahl an. Der erste Wahltermin platzte, da bereits Wahlscheine in der Urne lagen, bevor der geheime Wahlgang offiziell eröffnet wurde. Die Wahl musste wiederholt werden. Diesen erneuten Wahltermin halten drei Juristen nun für „rechtswidrig“, denn zur Kammerversammlung hatte der Präsident Axel Filges eingeladen, dessen Amtszeit Ende April formal abgelaufen war. Die Veröffentlichung im Amtlichen Anzeiger erschien jedoch erst in der ersten Maiwoche. Den Antrag der drei Juristen, die Wahl abzubrechen, lehnte die Kammerversammlung mit 298 Stimmen bei fünf Enthaltungen ab. Der neue Vorstand wurde gewählt, Filges erneut zum Präsidenten bestellt.

Die Unterlegenen – unter ihnen der Anwalt Corvin Fischer – ließen nicht locker und klagten vor dem Anwaltsgerichtshof. Der deutet nun an, dass Filges womöglich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Einladung nach „formaler Betrachtungsweise“ tatsächlich nicht mehr Präsident war.

Der Hintergrund des Konfliktes: Der langjährige Schill-Anwalt Fischer wittert schon seit Jahren Filz in der Kammer. Die großen Kanzleien würden die Vorstandsposten mit einer „unzulässigen Blockwahl“ unter sich aufteilen. „Die Rotarier haben das Sagen“, beklagt Fischer. In Hamburg gibt es 13 Rotary-Clubs. Fischer wirft diesen Standeskollegen vor, sich bei den Vorstandswahlen gegenseitig vorzuschlagen und zu wählen. Durch die jährlichen Wahlen von weniger als der Hälfte der Mitglieder werde die „Vorstands-Mehrheit nie gekippt“, sagt Fischer.

Das sieht Kammerpräsident Filges anders. Durch den Jahres-Modus sieht er eher eine „Übererfüllung“ der Rotationsvorgaben. Trotzdem räumt er ein, dass es „eine interessante Rechtsfrage“ sei. Die Wahlanfechtung sei legitim, sagt Filges. „Wir nehmen das schon ernst.“

Filges sieht aber keine Veranlassung, vor einer Entscheidung des Anwaltsgerichtshof sein Amt zur Verfügung zu stellen. „Die Tagesarbeit geht weiter“, sagt Filges. Er erinnert an die Bürgerschaftswahl 1994, als die Wahl annuliert worden war, da die CDU ihre Listen rechtswidrig aufgestellt hatte. Damals blieben die Parlamentarier bis zur Neuwahl ebenfalls im Amt. Er habe gerade die Anträge auf dem Tisch liegen, mit denen Juristen die Zulassung als Fachanwälte beantragen. „Soll ich die Fachanwaltsurkunden einfach liegen lassen?“ fragt Filges entrüstet. „Dann würden mich die Kollegen zu Recht verklagen.“