: Gutes Eon, böses Eon
ENERGIE Der Konzern setzt auf das Geschäft mit Ökostrom – und will den Bereich Kohle und Atom verkaufen
JULIA VERLINDEN, GRÜNE
VON BERNWARD JANZING
FREIBURG taz | Der Energiekonzern Eon plant einen radikalen Umbau: Wie das Düsseldorfer Unternehmen am späten Sonntag mitteilte, will es sich künftig auf „erneuerbare Energien, Energienetze und Kundenlösungen“ konzentrieren. Die Stromerzeugung aus Kohle und Atom soll in eine neue Firma übergehen, die komplett aus dem Eon-Konzern verschwinden soll. „Beide Ansätze unterscheiden sich so grundlegend voneinander, dass die Fokussierung in zwei getrennten Unternehmen die besten Zukunftsperspektiven bietet“, sagte Eon-Chef Johannes Teyssen.
In der neuen Gesellschaft, die rechtlich komplett unabhängig wäre, sollen die bislang dominierenden Geschäftsfelder konventionelle Erzeugung, globaler Energiehandel und Exploration & Produktion ausgegliedert werden. Die Mehrheit des neuen Unternehmens werde man 2016 an die eigenen Aktionäre abgeben – so diese bereit sind, sie zu erwerben. Den verbleibenden Minderheitsanteil dieser neuen Firma will Eon sukzessive über die Börse verkaufen – „marktschonend über einen mittelfristigen Zeitraum“, wie es heißt. Mit dem Verkaufserlös sollen „schrittweise weitere finanzielle Spielräume für künftige Wachstumsinvestitionen“ gewonnen werden. Es sei daher „kein Programm zum Abbau von Arbeitsplätzen“, versicherte der Firmenchef.
Teyssen nennt den Konzernumbau einen „mutigen Neuanfang“. Doch Kritiker vermuten, dass dieser Schritt vielmehr der Versuch ist, sich von finanziellen Verpflichtungen der Vergangenheit zu lösen. Zwar erklärte Teyssen umgehend: „Die bestehenden Rückstellungen für Rückbau und Entsorgung kerntechnischer und konventioneller Anlagen werden durch die bilanzielle Ausstattung der neuen Gesellschaft in vollem Umfang abgedeckt.“ Doch das fällt vielen Beobachtern schwer zu glauben: „In der neuen Gesellschaft sind hauptsächlich die absterbenden Geschäftsteile von Eon gebündelt“, sagte am Montag Bärbel Höhn, Energieexpertin der Grünen. Das neue Unternehmen werde „nach heutigen Erkenntnissen nicht den Gewinn erwirtschaften können, um den Rückbau und die Entsorgung der stillgelegten Atomkraftwerke vollständig zu finanzieren“. Auch Hubertus Zdebel von der Linksfraktion fürchtet, Eon wolle sich „aus der Verantwortung stehlen“.
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sah unterdessen in einer ersten Stellungnahme „durchaus neue Chancen“ in dem Konzernumbau: „Mit seiner Entscheidung stellt sich Eon konsequent auf und zieht als erstes Unternehmen die Konsequenz aus einer völlig gewandelten Welt der Energieversorgung.“
Befürchtungen, dass sich das Unternehmen seiner Zahlungsverpflichtung für Rückbau und Endlagerung entziehen wolle, wies Gabriel zurück: „Wir passen auf, dass die Rückstellungen gesichert bleiben.“ Um dies sicherzustellen, hatten SPD und Union schon vor einem Jahr im Koalitionsvertrag vereinbart, Gespräche mit den AKW-Betreibern zu führen. Diese hätten bisher aber nicht stattgefunden, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums – und einen Zeitplan dafür gebe es auch noch nicht.
Neben dem Thema Rückbau zählte in ersten politischen Reaktionen noch ein zweiter Aspekt: „Dass Eon jetzt den Umstieg auf erneuerbare Energien vollziehen will, ist ein überfälliger Schritt und ein positives Signal für das Fortschreiten der Energiewende in Deutschland“, sagte Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die großen Energiekonzerne hätten diese „Zeitenwende viel zu lange ignoriert“.
Auch die Aktionäre sahen die Pläne gestern positiv: Der Kurs der Aktie lag zeitweise mehr als 5 Prozent im Plus und war so mit Abstand der stärkste Wert im DAX. Und in dieser obersten Klasse der Börsenunternehmen werde der künftig energiegewendete Eon-Konzern auch bleiben, versicherte Teyssen.