: Widersprüche machen ratlos
betr.: „Alle singen vom Wetter – der Zweck heiligt die Titel“, taz vom 7. 7. 07
Schnell wird mir komisch, wenn Popstars wie auch Politiker verlauten lassen, dass es jetzt toll ist, wenn jeder anfängt, Energie zu sparen, und man schon mal überlegt, ob man es auch mal tun will, nur noch nicht so konkret. Daran zeigt sich, bewusst oder unbewusst, schließlich ein Dilemma: Es ist völlig richtig, dass letztlich „nur Politik die Politik ändern“ kann. Nur, was fordern wir von den Verantwortlichen? Die Widersprüche machen doch auch ratlos.
Die Kernfrage ist doch: unter welchen Bedingungen überhaupt ist es möglich, erfolgreich für Umwelt, Klima und Lebensgefühl den Ressourcenverbrauch einzuschränken? Bisher gilt: Für jede Einsparung wird an anderer Stelle konsumiert und produziert! Zurzeit eben Biogas und Kohlekraftwerke. Wenn ich spare, aus Idealismus oder weil das Realeinkommen sinkt, ist Geld bei anderen über für das, was sie gerade brauchen, und sei es ein Urlaubsflug rund um die Welt. Niemand schafft es, durch Sparsamkeit den kapitalistischen Turbo zum sanften Auslaufen zu bringen. Es kann aber auch kein Nullwachstum geben: Die Probleme werden global immer größer, wir brauchen also auch bessere Bildung, mehr Forschung, mehr politische Vernunft. Sicher schadet auch bessere Gesundheit, mehr Pflege (an Mensch und Umwelt), mehr Freizeit und Unterhaltung dem Klima nicht unbedingt. Die Aufgaben werden mehr, die Arbeit offensichtlich leider nicht weniger. Also: Wie geht es in unsere und die Köpfe der Reichen und der Bosse, dass mehr globales Wohlbefinden für uns „Wachstum“ bedeutet, weiteres Anwachsen von Produktion, Verbrauch und Populismus jedoch Rückgang unserer und des Planeten Gesundheit? Welche (turbokapitalistischen) Rahmenbedingungen müssen sich ändern, damit unsere Wirtschaft anders tickt? Antworten müssen her – für klare Forderungen an die Politik.
ERWIN HARTMANN, Warburg
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