: Wenn Schüler Lehrer bewerten
Morgen gibt es Zeugnisse. Was wäre, wenn auch die Lehrer Zeugnisse bekämen – ein Feedback von ihren SchülerInnen? Die hätten viel Kluges zu sagen, das ergab unser kleines Testgespräch
Lehrer beurteilen, das ist ein deutsches Tabu. Das macht halbseidene Angebote im Internet interessant: „Spickmich.de“ hat jüngst vor Gericht gewonnen, als eine Lehrerin gegen ihre Noten klagte in den Kategorien „sexy“, „menschlich“, „cool“, „witzig“ und „fair“. Freie Meinungsäußerung sei auch Schülern gestattet, fand das Gericht. Die ist aber sehr selten gefragt. Wobei ein regelmäßiges Schüler-Feedback sogar für LehrerInnen hilfreich sein kann, findet Schulleiter Ditmar Friedrich vom Gymnasium Rangsdorf in Brandenburg. An seiner Schule bekommen LehrerInnen seit 2002 regelmäßig „Noten“. Das gehöre zur demokratischen Erziehung, sagt Friedrichs – verantwortungsvoller Umgang mit Kritik an Autoritätspersonen. Anhand eines Fragebogens bewerten die Schüler für alle Fächer, von Deutsch bis Mathematik, – anonym – die Qualität des Unterrichts und das Klima an der Schule. Die Kritik der Schüler betraf oft auch eine mangelnde Durchsetzung der Disziplin oder nicht konsequente Kontrolle von Hausaufgaben. Elternvertreter werten die Fragebögen mit den Lehrern aus, die sprechen mit ihren Klassen darüber. „Das Ergebnis kommt nicht auf den Tisch des Schulleiters, sondern bleibt in der Hand der einzelnen Lehrkraft“, betont der Schulleiter. kawe
von klaus wolschner
Lehrer sind Einzelkämpfer. Was in jedem Unternehmen selbstverständlich wäre, fehlt in den staatlichen Behörden: Feedback ist nicht vorgesehen. Die „Kunden“ des Unterrichts, die SchülerInnen, werden nicht gefragt, wie sie die Lehrleistung bewerten. „Eigentlich müsste auch jeder Lehrer daran Interesse haben“, findet Anja Stahmann, die Bildungspolitikerin der Grünen. Es gibt Modellversuche zum Thema „Schüler bewerten ihre Lehrer“ (siehe Kasten).
In Bremen auch: an vier berufsbildenden Schulen und an der gymnasialen Oberstufe in Walle. Dort finden regelmäßig „Gespräche“ mit dem Lehrer statt. Der Schulleiter erfährt über die Inhalte nichts, sagt Schulleiter Helmut Zachau – er bekommt nur einen von Schülervertretern unterschriebenen Bogen, auf dem bestätigt wird, dass der Lehrer sich dem Gespräch gestellt hat. „Wir legen großen Wert auf dieses Feedback“, sagt Zachau. Die Schüler würden differenzierter bewerten „und auch positiver“, als die meisten Lehrer befürchten. Aus seiner Sicht wäre es nur konsequent, die Bewertung der Lehrer durch Schüler flächendeckend einzuführen. In dem Schulleiterverband, dessen Sprecher er ist, sei das Thema aber noch nicht beraten worden, sagt Zachau.
Was käme in Bremen heraus bei einer solchen Aktion? Wir haben einen Test mit einer Gruppe von sechs SchülerInnen gemacht. Erste Erkenntnis: Die Lehrer fragen die SchülerInnen nicht nach einem Feedback. Nur ausnahmsweise und dann eher im persönlichen Gespräch. Jüngere Lehrer fragen und solche, die gut zurechtkommen. Gerade die, die ein Feedback nötig hätten, fragen nicht.
Einer aus unserer Testgruppe ist einmal gefragt worden. „Ich weiß, was alle über ihn denken. Ich habe ihm gesagt, dass wir seinen Spanisch-Unterricht toll findet, er spricht viel mit uns, natürlich auf Spanisch, er ist motiviert, ein spannender Mensch.“ Wenn die Schüler Noten vergeben würden – die Eins wäre ihm sicher.
Eine Ausnahme. „Der Unterricht von Herrn P. ist unter aller Sau“, sagt eine Schülerin. Der Lehrer äußere sich auf dem Flur abfällig über einzelne Schüler, zeigt seine Ablehnung gegenüber einzelnen Schülern auch im Unterricht für alle sichtbar. Das empört die Schüler. Sie finden es ungerecht, unfair.
Und da ist der Sportlehrer, der mitSprüchen gegen Mädchen versucht, Lacher auf seine Seite zu ziehen. Lehrer sind oft auch Selbstdarsteller mit und ohne Talent. „Frau H. hört sich gerne reden“, sagen die sechs SchülerInnen einhellig. „Und da darfst Du nicht anderer Meinung sein.“ Schüler, die ihr nicht widersprechen, mag sie, die bekommen auch manchmal bessere Noten.
Das ist ein Thema, das immer wieder vorkommt: Können Lehrer mit Kritik durch ihre Schüler umgehen? Die SchülerInnen finden: die meisten nicht. In einem offenen Gespräch würden Schüler „nicht die ganze Wahrheit“ dem Lehrer ins Gesicht sagen, findet ein Schüler. „Das würde Folgen für die Benotung haben“, fürchten auch die anderen.
Wie fair sind die Benotungen? Dazu gibt es einen Tag vor der Zeugnisausgabe unendlich viel Gesprächsstoff. Und sie stellen in dem kurzen Gespräch fest: Manchmal gehen die Meinungen über einen Lehrer extrem weit auseinander.
Einig war sich unsere Testgruppe darin, dass es keine schlichten „Noten“ geben sollte, sondern differenzierte „Lehrerberichte“, mit denen die Betroffenen auch etwas anfangen können.
Und was macht man mit Lehrern, die absolut überfordert scheinen? Jeder der Schüler kennt den einen oder anderen Fall. „Versetzen an eine andere Schule bringt ja auch meist nichts“, sagen die Schüler – betroffen sind nur andere Schüler. Weiterbildung? „Wenn einem Lehrer die menschlichen Werte fehlen, dann bringt das auch nichts“, sagt ein Schüler. Er hatte dabei einen konkreten Fall im Auge.