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Archiv-Artikel

Lustreise nach Sparberg

Vier Jahre nach der ersten Kürzungsarie auf Schloss Warberg trifft sich das Kabinett Wulff erneut am selben Ort, um den Haushalt fürs kommende Jahr zu planen – mit Wohltaten fürs Wahlvolk

VON BURG WARBERG KAI SCHÖNEBERG

Von einem „Fiasko“ sprach die Opposition. Beamten ächzten unter Kürzungen bei Weihnachts- und Urlaubsgeld, Studenten, Eltern, Theater oder Umweltverbände sollten in Folge gegen Einsparungen in Höhe von 1,45 Milliarden Euro demonstrieren. Die Klausur des niedersächsischen Landeskabinetts im Juli 2003 auf Burg Warberg bei Helmstedt war für Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) der Auftakt zu einer harten Protestwelle. Die Kürzungen, auf die sich das Kabinett einschwor, um die damalige Kreditaufnahme in Höhe von 2,45 Milliarden Euro herunterzudimmen, führte zu erheblicher Unruhe im Volk. Und zum Spitznamen des Tagungsorts: „Burg Sparberg“.

Am Montag, fast genau vier Jahre später, trafen sich Wulffs Minister und Koalitionsspitzen am selben Ort, einer Fachwerkburg aus dem 13. Jahrhundert. Der Kreis schließt sich: Von den anfangs noch ungelenken Regierungsschritten des Neu-Ministerpräsidenten Wulff bis hin zum heute oft schon von seinem eigenen Land gelangweilt wirkenden Regierungschef.

Es gibt zwar genau wie damals Ferkel. Ein 44 Kilo schweres Schweinchen dreht sich vor dem Tagungsort auf dem Spieß. Aber: Diesmal ist alles anders als damals. Wulff redet von „umgekehrten Vorzeichen“. Weil in fast sieben Monaten Wahltag in Niedersachsen ist, sind bei den zweitägigen Beratungen über den Haushalt des kommenden Jahres kaum Härten zu erwarten. Es ist sogar statt Sparhammer eher mit einem sachte über den Landeskindern ausgeschütteten Füllhorn zu rechnen. Immerhin profitiert die CDU-FDP-Landesregierung von der guten Konjunktur: Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) erwartet über eine Milliarde Euro mehr Steuereinnahmen in den Kassen als geplant. Konsolidieren und investieren ist das Thema. Zudem hat Möllring noch 480 Millionen Euro nicht ausgegebene Kreditermächtigungen aus dem vergangenen Jahr im Köcher – Geld, dessen Ausgabe das Parlament bereits abgesegnet hat.

Diesmal muss keiner der Minister in die Folterkammer, die es auf Burg Warberg ja durchaus gibt. „Ich bekomme sogar mehr, als ich wollte“, sagt Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP), der rund zehn Millionen Euro zusätzlich für die Erhöhung der Deiche kassieren soll. Mehr Geld soll auch der lange Jahre gebeutelte Ressortchef Wissenschaft, Lutz Stratmann (CDU), einstreichen: Fünf Millionen Euro für gestiegene Energiekosten in den Hochschulen Braunschweig, Hannover und Clausthal. Kultusminister Bernd Busemann (CDU) will erreichen, dass im kommenden Jahr zur Streichung vorgesehene 400 Lehrerstellen doch bleiben dürfen. Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) rechnet mit mehr Millionen für Krankenhäuser und Stadtumbau, Wirtschaftsminister Walter Hirche mit Zulagen für den Straßenbau. Allerdings soll auch die Nettokreditaufnahme weiter gesenkt werden: auf 600 Millionen Euro. Die Ergebnisse sollen erst heute bekannt werden.

Trotz aller Zahlen war noch Zeit für Vorträge, etwa von VW-Chef Martin Winterkorn, der mit gezücktem Edding in die hinter verschlossenen Türen tagende Runde der Minister einschwebte. Außerdem berichteten dem Kabinett zwei VW-Zukunftsforscher über Mobilität, Verkehrsströme und den Volkswagen der Zukunft. „Man kann viel von Seiten der Politik tun“, sagt ein VW-Mann. „Zum Beispiel, wenn man weiß, dass sich bis zum Jahr 2030 der Lastverkehr auf der Ost-West-Achse verdoppelt haben wird.“