Kein Veto für die Frauen

Zum wohl letzten Mal erzwang eine Frauenbeauftragte per Veto die öffentliche Debatte über die Besetzung einer Professur: Im neuen Hochschulgesetz ist diese Möglichkeit nicht mehr vorgesehen

Von Christian Jakob

Eine von fünf Professuren an der Universität Bremen ist mit einer Frauen besetzt. Das ist mehr als an jeder anderen Hochschule in Deutschland. Von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis ist man dennoch weit entfernt, sagt Anneliese Niehoff, Leiterin der „Arbeitsstelle Chancengleichheit“ an der Uni. „Darauf kann man sich nicht ausruhen.“

Ein wenig Abhilfe hätte bei der aktuellen Neubesetzung der Professur für „Zeitgeschichte und Kultur Osteuropas“ geleistet werden können. Deren Inhaber, Wolfgang Eichwede, geht in diesen Tagen in den Ruhestand. Die Berufungskommission (BK) des Institutes für Geschichte entschied, den Posten an einen in den USA ausgebildeten Historiker zu vergeben. Das Gremium stufte eine junge deutsche Wissenschaftlerin als schlechter geeignet ein. Die zuständige Frauenbeauftragte teilte diese Auffassung nicht. Sie erzwang per „Sondervotum“ am Mittwoch eine Debatte im Akademischen Senat (AS) über die Personalie – wohl zum letzten Mal in der Geschichte der Uni.

Das Instrument des „Sondervotums“ wurde den Frauenbeauftragten der Bremer Hochschulen vor etwa zehn Jahren eingeräumt. Seither konnten sie, wenn sie in einem Berufungsverfahren Gleichstellungsgrundsätze verletzt sahen, eine Auseinandersetzung im gesamt-universitären AS verlangen. Dies bedeutete Zeitverzögerung und öffentliche Debatten für die institutseigenen Berufungskommissionen. „Allein die Drohung, ein Sondervotum einzulegen, wenn Gleichheitsgrundsätze verletzt wurden, hat oft schon geholfen“, sagt Niehoff. Ausschlusskriterien für Frauen habe man so oft besser in den Blick rücken können. Das Drohpotential stellte denn wohl auch den eigentlichen Wert des Instrumentes dar: Nur ein einziges Mal folgte der AS tatsächlich einer Frauenbeauftragten und lehnte den Vorschlag der BK ab.

In jedem Fall hat diese Praxis nun ein Ende: Zwar sieht die Neufassung des Bremischen Hochschulgesetzes noch Sondervoten vor. Doch diese werden wohl künftig in einer mündlichen Anhörung im Rektorat verhandelt. „Demokratischen Gremien Kompetenzen wegzunehmen und diese dann bei der Leitung anzusiedeln, entspricht leider dem Zeitgeist“, sagt Niehoff. Der „allerglücklichste Weg“ seien jedoch auch Sondervoten nicht gewesen. „Sich gegen den eigenen Fachbereich zu stellen und sich dann dafür in dem männer-dominierten AS rechtfertigen zu müssen, dass haben sich viele Frauenbeauftragte zweimal überlegt.“ Das Sondervotum könnte durch sinnvollere Instrumente, wie eine Schiedskommission ersetzt werden, so Niehoff.

Michael Markus, studentischer Vertreter im AS, hält die erzwungene Debatte um die Eichwede-Nachfolge durchaus für sinnvoll. „Nach Aktenlage waren die beiden Bewerber zweifellos gleichauf.“ Die vorgetragene Begründung für die schlechtere Bewertung der weiblichen Kandidatin sei „abstrus“ gewesen. „Sie hat schnell studiert, promoviert und habilitiert. Da hieß es, sie hätte sich nicht intensiv mit ihren Themen beschäftigen können.“ Dabei werde sonst immer Zügigkeit in der Ausbildung verlangt. „Auch dass sie, im Gegensatz zu ihrem Konkurrenten, schon zu verschiedenen Themen publiziert hat, wurde kritisiert. Normalerweise wird fachliche Breite sonst immer sehr befürwortet“, so Markus.

Der Vorstoß scheiterte dennoch: Mit acht zu zehn Stimmen entschied sich der AS gegen die Frauenbeauftragte und für die Beurteilung der BK. Nun rückt ein männlicher Wissenschaftler auf den Osteuropa-Lehrstuhl.